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Wirksam­keit

Da es häufig vorkommt, dass eine Intervention in klinischen Studien wirksam ist, in der tatsächlichen Anwendung (unter Real-World-Bedingungen) jedoch nicht, unterscheidet man betreffend Wirksamkeit zwischen Wirkungsvermögen (efficacy) und Effektivität (effectiveness).

Wirkungsvermögen (efficacy) 

Das Wirkungsvermögen (efficacy) beschreibt die Wirksamkeit unter den kontrollierten Bedingungen einer klinischen Studie, also etwa in einem randomized clinical trial (RCT). 

Effektivität (effectiveness)

Unter Effektivität (effectiveness) versteht man die Wirksamkeit, die unter Real-World-Bedingungen erhoben wird (Alltagstauglichkeit).

Dementsprechend gibt es Efficacy- oder Effectiveness-Studien. Sie unterschieden sich in der untersuchten Population, im Studiendesign und in der Art der Fragestellung. Bei der Ergebnisinterpretation ist zwischen „efficacy trial showed“ und „effectiveness trial showed“ zu unterscheiden. 

Therapeutische Wirksamkeit 

Unter therapeutischer Wirksamkeit versteht man das Vermögen einer therapeutischen Maßnahme, den Verlauf einer Krankheit günstig zu beeinflussen. Sie beschreibt den Nutzen für die Erkrankten. Dargestellt wird die therapeutische Wirksamkeit mit folgenden Kenngrößen:
  • relative Risikoreduktion (RRR)
  • absolute Risikoreduktion (ARR) 
  • Number Needed to Treat / Vaccinate (NNT bzw NNV)

Risikoreduktion (RRR / ARR)

Betreffend Risiko (z.B. das Risiko zu erkranken, das Risiko zu sterben, das Risiko hospitalisiert zu werden) unterscheidet man zwischen absolutem und relativem Risiko. Ebenso bei der Risikoreduktion (Quantifizierung des Therapieeffekts bei dichotomen Endpunkten) – auch hier unterscheidet man zwischen einer relativen und absoluten Risikoreduktion. 

Was unter diesen Begriffen bzw. Kennzahlen zu verstehen ist und wie sich berechnen, wird anhand eines Beispiels dargestellt:

Beispiel: 

Studie mit 2.000 Personen. 1.000 davon sind in der Interventionsgruppe (bekommen ein Herzmedikament), die restlichen 1.000 in der Kontrollgruppe (bekommen Placebo). In der Interventionsgruppe bekommen 20 einen Herzinfarkt, in der Kontrollgruppe 30.  

Das absolutes Risiko (AR) 

ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis bei einem einzelnen Menschen in einer bestimmten Zeit eintritt. Das absolute Risiko einen Herzinfarkt zu bekommen betrug in der Kontrollgruppe 3% (30/1000) und in der Interventionsgruppe 2% (20/1000).

 
Das relative Risiko (RR) 

basiert auf dem Vergleich von zwei absoluten Risiken. Bei Werten kleiner 1 ist das Risiko verringert, bei Werten größer 1 erhöht. Das relative Risiko ist das Verhältnis dieser beiden Risiken (0,02/0,03), also 0,67. D.h., das Herzinfarktrisiko verringerte sich.

 
Die absolute Risikoreduktion (ARR) 

beschreibt die Differenz der absoluten Risiken in Kontroll- und Interventionsgruppe. Sie gibt an, um wie viele Prozentpunkte bezogen auf alle Untersuchten (absolut) das bestehende Risiko durch eine Intervention verringert wird. Die ARR berechnet sich aus der Differenz der Herzinfarktraten (mit und ohne Medikament) bei den Studienteilnehmern (2.000). Es kam zu einer Verringerung des Herzinfarktrisikos von 3% auf 2%. Somit beträgt die absolute Risikoreduktion 1%p.

Die relative Risikoreduktion (RRR) 

gibt an, um welchen Anteil im Verhältnis (relativ), das bestehende Risiko durch eine Intervention vermindert wird. Die RRR berechnet sich 1-RR. Dabei werden jene Teilnehmer gezählt, die einen Herzinfarkt hatten (50) und gemäß ihren Anteilen (Medikament oder Placebo) ins Verhältnis gesetzt (relatives Risiko) Das relative Risiko (RR) beträgt 0,67 (0,02/0,03). Somit ergibt sich eine relative Risikoreduktion (1-0,67) von 33%.

Wenn nun gesagt wird, dass das Medikament eine Wirksamkeit von 33 % hat bzw. zu 33 % wirkt (RRR), wird der Eindruck erweckt, es würde bei 33 % der Behandelten einen Herzinfarkt verhindern. Tatsächlich wird aber das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, um 1 %p gesenkt (ARR). Schließlich hatten ja nicht nur 98 % der medikamentierten Studienteilnehmer keinen Herzinfarkt, sondern auch 97 % von jenen, die kein Medikament bekamen.

Die alleinige Angabe der relativen Risikoreduktion (RRR) zum Nutzen eines Arzneimittels ist somit zutiefst irreführend. Daher besteht seit mehr als 20 Jahren Übereinstimmung darüber (zumindest auch) die absolute Risikoreduktion (ARR) anzugeben. 

Die relative Risikoreduktion (RRR) allein ist kein hinreichender Parameter für die Wirksamkeit von Behandlungseffekten, da diese Messgröße unabhängig von der zugrundeliegenden Population ist, sie ist aber beliebt, weil sie meist beeindruckende Prozentzahlen im zweistelligen Bereich ergibt („Marketingzahl“). Die absolute Risikoreduktion (ARR) reflektiert als absolute Zahl den „wirklichen Effekt“. Deren reziproker Wert “number needed to treat” bzw. „number needed to vaccinate“ (NNT bzw. NNV) bringt die Effizienz anschaulich zum Ausdruck (Prof. Dr. med. Klaus Dieter Kolenda, Telepolis, 29.05.2021). Siehe auch: Klinische Studien: Wie “korrekte” Statistiken täuschen können” Deutsches Ärzteblatt, 2005.

Im Juli 2021 wurde im Lancet Microbe ein Kommentar mit dem Titel COVID-19 vaccine efficacy and effectiveness—the elephant (not) in the room zur Diskussion gestellt, in welchem die Unterschiede zwischen einer Betrachtung auf Basis einer relativen Risikoreduktion (RRR) und einer absoluten Risikoreduktion (ARR) bzw. NNV (1/ARR) thematisiert und visualisiert (Figure) werden. Die Autoren reklamieren, dass die angegebene relative Risikoreduktion (RRR) vor dem Hintergrund des Risikos gesehen werden muss, mit Covid-19 infiziert zu werden und zu erkranken. Die RRR berücksichtigt nur Teilnehmer, die vom Impfstoff profitieren könnten, weil sie sich infiziert haben und erkrankt sind. Die ARR berücksichtigt hingegen die gesamte Population und betrachtet die Differenz zwischen den Erkrankungsraten mit und ohne Impfstoff.

Absolute Risikoreduktion (ARR) der CoV-Impfstoffe

Die absolute Risikoreduktion (ARR) der CoV-Impfstoffe liegt laut den Berechnungen der Autorinnen und Autoren dieses Artikels im Juli 2021 bei: 1,3 %p (AstraZeneca), 1,2 %p (Moderna), 1,2 %p (Johnson & Johnson), 0,93 %p für (Sputnik V) und 0,84 %p (Biontech-Pfizer). Quelle: Figure

NNT / NNV

NNT (number needed to treat) bzw. NNV (number needed to vaccinate) ist der Kehrwert der absoluten Risikoreduktion (ARR). Er berechnet sich 1/ARR. Als NNV bezeichnet man die Zahl der Personen, die geimpft werden müssen, um rechnerisch einen Fall bzw ein Ereignis zu verhindern. Beim zu verhindernden Fall kann es sich z.B. um Krankheit, Tod, Hospitalisierung handeln. NNV ist ein Maß, um Rückschlüsse auf den Nutzen und die Kosteneffizienz verschiedener Impfprogramme zu ziehen. NNV ist umso kleiner, je höher die Impfeffektivität und je höher die Inzidenz der Zielkrankheit ist. 

In der 2015 von kanadischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern erstellen systematischen Übersichtsarbeit wird der Frage nachgegangen, wie und warum Forscher die für die Impfung benötigte Zahl NNV zur Entscheidungsfindung verwenden (How and why researchers use the number needed to vaccinate to inform decision making—A systematic review).

Number Needed to Vaccinate (NNV) der CoV-Impfstoffe 

Die Number Needed to Vaccinate (NNV) der CoV-Impfstoffe liegt laut den Berechnungen der Autorinnen und Autoren dieses Artikels im Juli 2021 bei: 76 (Moderna), 78 (Astrazeneca), 80 (Gamaleya-Vakzin), 84 (Johnson & Johnson) und 117 (Biontech-Pfizer). Quelle: Figure 


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