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Pandemie

Mit der Zunahme des weltweiten Verkehrs, der Verstädterung und der Überbevölkerung steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich lokale Epidemien schnell in der ganzen Welt ausbreiten, und sich zu einer globalen Epidemie (=Pandemie) entwickeln. Pandemievorsorge und -eindämmung sind zentrale Aufgabengebiete der WHO. Bei der Ausarbeitung von Pandemievorbereitungsplänen wird auf eine mögliche Ausbreitung neuartiger Influenzaviren Bezug genommen.

Als pandemische Influenza galt bis 2005 ein Influenzavirus, gegen den die menschliche Bevölkerung keine Immunität besitzt, und somit zu einer weltweiten Epidemie mit enormen Todes- und Krankheitszahlen führt (Quelle: Pandemic preparedness, WHO 2003). Dieses Pandemieverständnis lag sämtlichen Grundsatzdokumenten der WHO betreffend Pandemievorbereitung zugrunde. Das Wort “enorm” wurde nicht spezifiziert.

Heute berücksichtigt die WHO die Gefährlichkeit und Mortalität der Krankheit nicht mehr; eine Pandemie ist bereits dann gegeben, “wenn ein neues Influenzavirus auftritt, gegen das die menschliche Bevölkerung keine Immunität besitzt”. 

Dazu Prof. Dr. Franz Allerberger, der von Juni 2002 bis August 2021 Leiter des Bereichs Öffentliche Gesundheit der AGES war, in einem Interview in der schweizer Online-Zeitung Infosperber:

“Seit 2005 kann jedes neue Virus zur Pandemie erklärt werden, weil die Definition so gewählt wurde. Die WHO definiert eine Pandemie als eine Situation, in der die gesamte Weltbevölkerung potenziell einem Erreger ausgesetzt ist und das Risiko besteht, dass «ein Teil von ihr erkrankt». Die Allgemeinbevölkerung versteht unter einer Pandemie aber etwas anderes, nämlich, dass viele Menschen sterben. Solche Widersprüche tragen zur babylonischen Sprachverwirrung bei.“

Schon 2010, bei der Aufarbeitung der Schweinegrippe-Pandemie identifizierte der Seuchenexperte Ulrich Keil diese Umdefinition (dass es nicht mehr auf die Gefährlichkeit eines Virus ankommt) als Teil des Problems:

“Wie konnte es zum großen Schweinegrippe-Hype kommen? Begünstigt wurde er dadurch, dass die WHO kurz zuvor den Begriff “Pandemie” neu definierte. Es kommt jetzt nicht mehr auf die Gefährlichkeit eines Virus an, sondern lediglich auf seine Fähigkeit, sich schnell auszubreiten. Als Ulrich Keil einen Verantwortlichen fragte, ob man denn auch eine Impfaktion starten würde, wenn die WHO Niesen zur Pandemie erklärte, erhielt er die Antwort: “Ja”.” (Welt, 11.07.2010)

Internationale Gesundheitsvorschriften / Internationaler Gesundheitsnotstand

2005 wurden, als Reaktion auf SARS und die Vogelgrippe, von den 196 WHO-Ländern gemeinsam die Internationalen Gesundheitsvorschriften geschaffen. Mit dieser haben sich die Länder verpflichtet, im Falle einer Krise zusammenzuarbeiten, und der WHO die Koordination der Maßnahmen zu überlassen. Siehe: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Annahme Internationaler Gesundheitsvorschriften (2005)

Der Internationale Gesundheitsnotstand („Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationalem Ausmaß”) kann ausgerufen werden, wenn es sich um eine plötzlich aufgetretene, außergewöhnliche Situation handelt, die (1) eine potenzielle globale Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt und (2) auf die unter Umständen schnell international reagiert werden muss. Die Entscheidung darüber fällt der Direktor der WHO. Von 2005 bis 2022 wurde von der WHO insgesamt sieben Mal ein Gesundheitsnotstand ausgerufen: 2009 (Schweinegrippe), 2014 (Kinderlähmung), 2014 (Ebolafieber), 2016 (Zikavirus), 2019 (Ebolafieber), 2020 (COVID-19) und 2022 (Affenpocken).

Pandemie – Phasenmodell / zyklisches Modell

Bis 2017 unterschied die WHO zwischen folgenden Entwicklungsstufen einer Influenza-Pandemie:
  • Phase 1: Beim Menschen wurde kein neuer Virus-Subtyp entdeckt, jedoch wurde ein beim Menschen umlaufender Subtyp auch in Tieren nachgewiesen. Das Risiko des Übergangs vom Tier zum Menschen wird als gering bewertet.

  • Phase 2: Beim Menschen wurde kein neuer Virus-Subtyp entdeckt, jedoch bewirkt ein in Tieren umlaufender Subtyp ein erhebliches Risiko von Erkrankungen beim Menschen.

  • Phase 3: Beginn der Alarmphase: Vereinzelt werden Menschen von einem neuen Subtyp infiziert, die zum Beispiel unabhängig voneinander Kontakt zu infizierten Tieren hatten. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten und tritt allenfalls bei engem Kontakt zu einem Infizierten auf.

  • Phase 4: Örtlich eng begrenzte Häufung(en) von Infektionen (zum Beispiel 25 Erkrankungen innerhalb von zwei Wochen) und begrenzte Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind dokumentiert, was jedoch nahelegt, dass der Subtyp nur unzureichend an den Menschen angepasst ist.

  • Phase 5: erhebliches Pandemierisiko: Größere Häufung(en) von Infektionen (zum Beispiel 50 Erkrankungen innerhalb von zwei bis vier Wochen) sind dokumentiert, Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind aber noch immer örtlich begrenzt (zum Beispiel auf abgelegene Orte oder Inseln oder auf Gemeinschaftseinrichtungen wie Universitäten und Kasernen), was nahelegt, dass der Subtyp zwar zunehmend besser an den Menschen angepasst, aber noch immer nur eingeschränkt von Mensch zu Mensch übertragbar ist.

  • Phase 6: Pandemie: Wachsende und anhaltende Übertragungen von Mensch zu Mensch in der gesamten Bevölkerung.

2017 wurde das Phasenmodell durch ein zyklisches Modell ersetzt:
  • Interpandemische Phase: Dies ist die Phase zwischen zwei Influenza-Pandemien in der Vorbereitungen auf eine mögliche Pandemie getroffen werden können.

  • Bereitschaftsphase (Alert Phase): Ein neuer Influenza-Subtyp wurde beim Menschen nachgewiesen. Diese Phase ist gekennzeichnet durch erhöhte Wachsamkeit und sorgfältige Abschätzung möglicher Risiken auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Falls die Beurteilung der Risiken ergibt, dass keine weltweite Ausbreitung zu erwarten ist, kann eine Deeskalation eingeleiteter Maßnahmen erfolgen.

  • Pandemische Phase: Aufgrund der Beobachtung virologischer, epidemiologischer und klinischer Befunde gilt als gesichert, dass sich der neue Subtyp weltweit ausbreitet und Maßnahmen ergriffen werden müssen. Der Wechsel von der interpandemischen Phase zur Bereitschaftsphase und zur Pandemiephase kann rasch oder nach und nach erfolgen.

  • Übergangsphase (Transition Phase): Sobald sich das Infektionsgeschehen abschwächt, also eine Verbesserung der Lage eintritt, kann eine weltweite oder durch einzelne Staaten veranlasste Deeskalation eingeleiteter Maßnahmen erfolgen.

  • Interpandemische Phase: Dies ist die nächste Phase zwischen zwei Influenza-Pandemien.


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