PM: #35 Mysterium Intensivstation – Hinter verschlossenen Türen

Presseaussendung der GGI-Initiative am 15.06.2023

Die “drohende Überlastung des Gesundheitssystems” hing die letzten Jahre wie ein Damoklesschwert über uns. Viele Maßnahmen wurden damit begründet. Doch viele wichtige Daten wurden nicht sauber erfasst bzw. zusammengeführt und abgeglichen. Egal ob Belagszahlen, Infektionsdaten, Impfstatus oder Sterbeursachen – vieles liegt im Dunkeln. Symptomatisch für diese schlechte Datenlage ist der Belag auf den Intensivstationen, wo wir nicht einmal wissen, wie viele Intensivbetten wir überhaupt in Österreich haben.

Wie viele betriebsbereite Intensivbetten gibt es überhaupt?

Die Auslastung der Intensivstationen gilt spätestens ab dem Stufenplan im September 2021 als das eine entscheidende Kriterium für das Inkrafttreten diverser Einschränkungsmaßnahmen. [1] Doch auch vorher hat u. a. das Covid-19-Dashboard der AGES regelmäßig Balkendiagramme mit den Belegungszahlen veröffentlicht. [2] Lange Zeit hat man vornehmlich auf die 10% (Grenzwert u. a. für Verschiebung von chirurgischen Eingriffen) und 33% (Grenzwert für angebliche Gefahr des Systemzusammenbruchs) wie Kaninchen auf die Schlange gestarrt. Nur wenige haben sich darüber Gedanken gemacht, was ein Intensivbett eigentlich ausmacht, was auf Intensivstationen passiert, welchen Sinn die Isolierung von Patienten gemacht hat und ob es andere Möglichkeiten der Behandlung gegeben hätte.

Was ein Intensivbett ist bzw. wie viele es gibt, allein dazu sind die Angaben widersprüchlich. Während etwa das erwähnte AGES-Dashboard regelmäßig gut 2000 zeigt, so berichten die Jahrbücher der Gesundheitsstatistik von deutlich über 2500. Demnach ist deren Zahl zwischen 2017 und 2022 von 2514 auf 2648 gestiegen; ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Anästhesisten bzw. Intensivmediziner. [3] Mangel herrscht bekanntlich bei Pflegekräften. Die Zahlen beziehen sich freilich nur auf tatsächlich aufgestellte Betten; ob diese betriebsbereit sind, geht daraus nicht hervor.

Warum lagen die Menschen auf der Intensivstation?

Ob eine kurzfristige Erweiterung der Kapazitäten möglich bzw. sinnvoll gewesen wäre, lassen wir an dieser Stelle außen vor. Tatsache ist, dass die längste Zeit keine Unterscheidung getroffen worden ist, wer tatsächlich von der Krankheit Covid-19 beeinträchtigt war und bei wem nur ein Test zufällig positiv war. [4] In beiden Fällen wurde unseres Wissens nach nie berücksichtigt, ob die Patienten als ‘Corona-Patienten’ aufgenommen worden sind oder sich während des Aufenthalts im Spital angesteckt haben.

Warum hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer verdreifacht?

Weder Gesundheitspolitik noch Medien haben jemals thematisiert, dass die durchschnittliche Belagsdauer für ein Intensivbett bis 2019 von gut 3 Tagen auf gut 10 Tage ab 2020 gestiegen ist, [3] was sich allein mit den zusätzlichen Covid-Patienten nicht erklären lässt. Man kann aber davon ausgehen, dass die erhöhte Aufenthaltsdauer, neben der Verknappung von Personal, für die kommunizierte erhöhte Auslastung mancher Intensivstationen eine Rolle gespielt hat.

Fehlbehandlungen mitverantwortlich für Corona-Tote?

Darüber hinaus war bald bekannt, dass die voreilige Beatmung nachteilige Endpunkte gefördert und eher zum Tod geführt hat. [5], [6] Aber auch in Fällen mit Covid-19 Lungenentzündung und daraus resultierendem Atemstillstand war man bald unsicher, ob dies allein ein schweres medizinisches Problem war. Womöglich sind sekundäre, bakteriell bedingte Lungenentzündungen – ein an sich gut behandelbares Problem – eskaliert. Neue Forschungen deuten auf zweiteres hin. Demnach führt Covid-19 im Vergleich zu andersartig verursachten Lungenentzündungen zu einer geringeren Sterblichkeit. Sekundäre bakteriell bedingte Probleme im Zuge der Beatmung (unbehandelt oder auf Behandlung nicht ansprechend) kehren dies aber um und führen zu einer erhöhten Sterblichkeit. [7]

Dies mag 2020 noch durch fehlende Kenntnis erklärbar sein, ab 2021 hätte man aber die Behandlungsmodalitäten genau überprüfen müssen. Stattdessen hat man auf überhastet entwickelte und entsprechend wenig nützliche Impfstoffe gesetzt und mit einer verpflichtenden Impfung Personal zum Weggang aus dem Gesundheitsbereich genötigt.

Warum wurde beim Umgang mit dem neuartigen Pathogen bzw. den dadurch verursachten Krankheiten ein sog. ‘repurposing’ (Umnutzung) von bewährten Arzneien und Behandlungsmethoden nicht in Betracht gezogen?

Fragen über Fragen

Selten sind wir bei unseren Recherchen auf so viele Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten gestoßen, wie bei diesem Thema. [8] Es gibt unzählige offene Fragen, die einer Beantwortung durch die zuständigen Behörden oder Experten bedürfen. Unter anderem folgende:

  • Warum haben wir so eine miserable Datenlage, warum wurde bzw. wird so vieles mangelhaft oder gar nicht erfasst (wie etwa der Impfstatus von Corona-Patienten und -Toten)?
  • Wie kann die Zahl der Intensivbetten gleichzeitig erhöht und reduziert werden? Der Rechnungshof berichtete 2020 dass die Intensivbetten um ein Drittel reduziert wurden, wohingegen in den Jahrbüchern der Gesundheitsstatistik von einer Erhöhung der Intensivbetten zu lesen ist? … Anmerkung: hier ist uns leider ein Fehler passiert. Dieser Text gilt nicht.
  • Wie konnte das System vor dem Zusammenbruch stehen, wenn z. B. 2020 lt. Rechnungshofbericht die Zahl der ambulant und stationär versorgten Patienten deutlich unter jener des Vorjahres lag?
  • Warum wurde medial der Eindruck erweckt, dass die meisten Corona-Opfer auf Intensivstationen lagen bevor sie starben, obwohl dies nicht der Fall war?
  • Wie ist es zu erklären, dass in der 4. Welle (November 2021) fast gleich viele Covid-Patienten auf Intensiv behandelt werden mussten, wie in der 2. Welle (Ende 2020), obwohl die Durchimpfungsrate der Bevölkerung zu der Zeit schon bei 70 Prozent lag?
  • Warum wurde im Sommer 2021 berichtet, dass Corona-Patienten durchschnittlich 28 Tage auf der Intensivstation liegen, obwohl am Ende des Jahres im Jahresbericht ein Durchschnitt von 13 Tagen genannt wurde?

Quellenangaben

[1] Anonym. Der Corona-Stufenplan für den Herbst im Detail. Russmedia Digital GmbH, 2021. online: https://www.vienna.at/der-corona-stufenplan-fuer-den-herbst-im-detail/7117802

[2] AGES Dashboard COVID19. 2020. online: https://covid19-dashboard.ages.at/dashboard\_Hosp.html

[3] Prammer-Waldhör M. & al. Jahrbuch der Gesundheitsstatistik <YYYY>. Bundesanstalt Statistik Österreich, 2017-2023. online: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gesundheit/gesundheitsversorgung-und-ausgaben/einrichtungen-und-personal-im-gesundheitswesen (Jahrbücher 2017 bis 2022)

[4] Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit. Let’s Talk About … Falldefinition. 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/falldefinition

[5] Voshaar T. & al. Warum hat in der Pandemie die Intensivmedizin häufig mehr Probleme geschaffen als gelöst? Sokrates – Ein Forum kritischer Rationalisten e.V., 2023. online: https://www.sokrates-rationalisten-forum.de

[6] Renner V. Deutschland: Beatmung brachte mehr Geld – 20.000 “Corona-Tote” durch Falschbehandlung? Report24.news, 2023. online: https://report24.news/deutschland-beatmung-brachte-mehr-geld-20-000-corona-tote-durch-falschbehandlung/?feed\_id=30443

[7] Gao C. & al. Machine learning links unresolving secondary pneumonia to mortality in patients with severe pneumonia, including COVID-19. J Clin Invest, 2023. online: https://www.jci.org/articles/view/170682/pdf

[8] Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit. Krise der Krankenhäuser – Schein oder Sein? 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/krise-der-krankenhaeuser-schein-oder-sein

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