Presseaussendung der GGI-Initiative am 21.03.2023
Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages möchten wir heute die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen der Maßnahmen auf behinderte Menschen und ihre pflegenden Angehörigen lenken. In Österreich gibt es rund 80.000 Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung, unabhängig vom Schweregrad. Einige davon sind auf pflegende Angehörige und Einrichtungen, die auf die Begleitung von behinderten Menschen ausgerichtet sind, angewiesen. Mit dem Grad der Behinderung steigt auch der Pflegeaufwand, der oft nicht nur von Seiten der Familie geleistet werden kann.
Der erste Lockdown war für pflegende Angehörige der Beginn einer 24-Stunden-Pflege. Da Sonderschulen, Integrationsklassen, Einrichtungen und Tagesstätten sowie betreute Wohngemeinschaften von heute auf morgen geschlossen wurden, übernahmen Eltern in der Minute die Betreuung ihrer Kinder, die keine 24-Stunden-Betreuung hatten. Aber selbst Familien mit einer 24-Stunden-Betreuung kämpften mit dem Problem der geschlossenen Grenzen, da die Pflegekräfte meist aus dem Ausland kamen.
Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen war die Situation sehr belastend. Der Zugang zu Therapieeinrichtungen war stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Für Betroffene am Autismusspektrum ist Routine essenziell. Diese war von einem Tag auf den anderen unmöglich. Dazu kamen die soziale Isolation und die Tatsache, dass viele betroffene Kinder und Jugendliche nicht begreifen konnten, weshalb nun alles anders war. Die psychischen Auswirkungen waren vielfältig, aber durchwegs negativ.
Homeschooling – gut gemeint, aber nicht durchführbar
Das nach ein paar Wochen initiierte Homeschooling war bei behinderten Kindern mit höheren Pflegestufen nicht möglich. Unterricht zu Hause hieß, dass Eltern komplett die Förderung und Pflege ihrer Kinder leisten mussten. Hinzu kommt noch, dass Care-Arbeit oft von Frauen geleistet wird und viele Eltern von behinderten Kindern getrennt sind. Das bedeutete, dass Mütter mit ihren behinderten Kindern allein zu Hause im 24-Stunden-Pflegemodus waren.
„Es war eine schlimme Zeit“, sagt Martina Höpler-Amort, Mutter einer schwer behinderten Tochter. „Meine Tochter kann nicht gehen und hat einen extrem hohen Pflegeaufwand. Ich war nach einigen Wochen körperlich so am Ende, dass ich, die keinen systemrelevanten Beruf hat, die Schule darauf drängte, zumindest einige Stunden die Notbetreuung nutzen zu können. Nach Ostern wurden dann zwei Tage in der Woche angeboten, die aber immer wieder durch Quarantäne oder Krankheit der PädagogInnen nicht zustande kamen.“
Unzumutbare Maßnahmen und Verordnungen
Im Herbst führten Maßnahmen wie das Tragen von Masken und Covid-19-Tests zu weiteren Komplikationen im Pflegebereich. Kurzfristig führte die Verordnung für 48 bzw. 72 Stunden PCR-Tests bei 24-Stunden-Betreuern zu einem Pflegenotstand. Pflegeorganisationen protestierten heftig und schließlich wurde die Verordnung geändert.
Der Regierung wurde mehrmals ein “blinder Fleck” in Bezug auf die Situation der Pflege attestiert. Warum sich das Gesundheitsministerium nicht mehr um angepasste, passende Verordnungen und Ausnahmen bemühte, bleibt unklar. Ein gutes Krisenmanagement darf nicht die Menschen vergessen, die besonderen Schutz und Hilfe benötigen, sowie die Zumutbarkeit von Maßnahmen für pflegende Angehörige. Daher ist eine umfassende Folgenabschätzung, insbesondere im Krisenmodus, unerlässlich. Auch kleine Veränderungen können große Auswirkungen haben und Schäden verursachen, die nicht mehr behoben werden können.