02.01.2024
Die Pharmazeutische Zeitung veröffentlichte einen vorgeblichen Faktencheck zum Thema DNA-Verunreinigungen in RNA-basierten COVID-19 Impfstoffen. Dieser ist propagandistischer Natur und verwendet Framing, Unterstellungen, unwahre Angaben und selektive Darstellungen. Die GGI-Initiative argumentiert, dass das Problem der Verunreinigungen dadurch keinesfalls ausgeräumt ist. Fehlendes peer review und anonyme Proben sind für eine Erkenntnis irrelevant. Die Labore, welche die Verunreinigungen unabhängig festgestellt haben, geben sinnvolle Einheiten an. Der in der Gentherapie etablierte SV40 Promoter kann durchaus in den Verunreinigungen enthalten sein. Die Pharmazeutische Zeitung wird zum Zurückziehen dieser irreführenden Ausführung aufgefordert.
Hintergrund
Am 14.12.2023 verfasste em. Professor Theo Dingermann, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, für eben diese Zeitschrift einen sogenannten “Faktencheck”. In diesem meint er, das Problem der seit Monaten diskutierten DNA-Verunreinigungen in den RNA-basierten COVID-19 Impfstoffen widerlegt zu haben. [1] Welche Tricks er dabei anwendet, zeigen wir in der Folge auf.
Framing und Kampfbegriffe
Ein alter Hut in der Propaganda-Trickkiste sind Kampfbegriffe und Beleidigungen. Schon im ersten Satz bezeichnet er den Medizinischen Behandlungsverbund, der unlängst per Rundschreiben auf das Problem aufmerksam gemacht hat, als dubios. Im folgenden Absatz schreibt er von impfskeptischen Kreisen. Dabei handelt es sich um leicht durchschaubares Framing, also das Festlegen eines Deutungsrahmens für die Leserschaft. Man soll gleich zu Beginn den Eindruck haben, dass kritische Stimmen bezüglich der nachgewiesenen Verunreinigungen ganz grundsätzlich unzuverlässig sind bzw. unlautere Motive haben.
Anmerkung: Herrn Dingermann erschien die ursprüngliche Formulierung dubiose Gruppe wohl doch nicht angemessen, und so fehlt das Wort dubios in der neuesten online Version vom 21.12.2023. Diese nachträgliche Änderung wurde jedoch verdeckt gemacht, der Artikel ist fälschlicherweise immer noch mit 14.12.2023 18:00 als Erscheinungszeitpunkt angegeben. Wie aus den archivierten Webversionen ersichtlich erfolgte diese Löschung zwischen 17. und 19.12.2023. [1a] [1b]
Auszug aus der Originalversion vom 14.12.2023 18:00: Als eine dubiose Gruppe namens »Medizinischer Behandlungsverbund« kürzlich Arztpraxen anschrieb und sie aufforderte, wegen angeblicher Haftungsrisiken keine mRNA-Impfstoffe mehr zu verwenden, begründete sie dies mit »DNA-Kontaminationen« der Impfstoffe, die 18- bis 70-mal über den zulässigen Grenzwerten lägen.
Eine weitere gebräuchliche, allerdings schon verzweifelte Propaganda-Methode ist die gewöhnliche Unterstellung. Dingermann schreibt: Es kursieren Behauptungen, dass der Prozess-1-Impfstoff dem Prozess-2-Comirnaty qualitativ überlegen gewesen sein soll, sodass der breiten Bevölkerung ein suboptimaler Impfstoff zur Verfügung gestellt worden sei. Zu dieser Angabe liefert er nicht einmal eine exemplarische Quelle. Er stellt in den Raum, dass sich eine Schadenersatzklage des Düsseldorfer Anwalts für Impfgeschädigte, Marco Rogert auf diese angeblichen Behauptungen stützt. Doch im Zusammenhang mit dieser Klage kommen Begriffe wie überlegen oder suboptimal in den allgemein einsehbaren Berichten darüber nicht vor. Auch diese mutmaßlich erfundenen Behauptungen sind Teil des oben erklärten Framing.
Glaube und Unwahrheit
In der Folge erwähnt er den preprint von McKernan & al, welcher erstmals im April 2023 eine Schätzung des tatsächlichen Ausmaßes der Verunreinigung veröffentlichte. [2] Dingermann wertet die Ergebnisse ab, indem er besonders das fehlende peer review, also das Gutachten durch Kollegen des Faches für die Publikation in einer Fachzeitschrift, betont. Über dieses peer review Prozedere könnte man ganze Bücher schreiben, seit Anbeginn in den 1970ern wird es gleichermaßen verherrlicht und kritisiert. Hier sei nur erwähnt, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe von McKernan im Lauf des Jahres von acht weiteren wissenschaftlichen Gruppen aus USA, Kanada, und Deutschland unabhängig bestätigt wurden. [3] [4] Reproduzierbarkeit einer Erkenntnis ist im Gegensatz zum peer review ein handfestes Kriterium für deren Brauchbarkeit.
Dann kritisiert Dingermann die anonyme Herkunft der Proben. Dies ist ein wenig erfolgreiches Ablenkungsmanöver. Die Ergebnisse werden dadurch nicht widerlegt und es gibt keine Argumentation, inwieweit der anonyme Charakter einer Probe ein Ergebnis verzerren könnte. In der Folge vollzieht er einen besonders frechen Streich. Er unterstellt McKernan & al, dass sie ihre Ergebnisse in ng DNA / mg RNA darstellen, obwohl das die Ergebnisse nach oben verzerren kann. Die Überlegung dahinter – RNA ist leichter abbaubar als DNA – ist zwar durchaus zweckmäßig, jedoch liegt hier wieder eine banale Unwahrheit vor.
“McKernan & al geben ihre Ergebnisse sinnvollerweise in ng DNA bzw. RNA pro µl Probenflüssigkeit an. Die einzigen Größen, die in Beziehung zueinander gestellt werden, sind Masse und Volumen, was in der Chemie ganz gewöhnlich ist.”, so die Biotechnologie- und Pharmaexpertin Dr. Monika Henninger-Erber von der GGI-Initiative. Weiter: “Dingermanns Angabe ng DNA / mg RNA stammt jedoch eins zu eins aus den Beschreibungen von BioNTech selbst und nicht von McKernan.”
Dies lässt sich anhand einer Ergebnistabelle aus der Veröffentlichung leicht nachvollziehen.
Dann meint Dingermann offenbar, besonders gut informiert zu sein, indem er die Angaben von BioNTech einfach abschreibt. Eine Erklärung, warum ein gut charakterisiertes RNA-Produkt spektrometrisch gemessen sowie DNA-Bruchstücke unbekannter Länge und Zusammensetzung einer PCR unterzogen werden, bleibt er wie alle Pharma-Missionare freilich schuldig. Denn wenn man großen Wert auf die Produktqualität legt, würde man die beiden Analysemethoden genau anders herum anwenden. Spektrometrie erfasst alles, qPCR erfasst nur das, was einem vorgegebenen Muster entspricht. Bei einem Pharmaprodukt sollte man daher den gewünschten Inhalt anhand eines Mustervergleichs bestimmen, unbekannte Verunreinigungen jedoch möglichst vollständig erfassen. BioNTech macht es genau anders herum – für die Erfassung des gewünschten Inhalts wird sämtliche RNA erfasst. Für die Erfassung von Verunreinigungen zeigt sich BioNTech wählerisch und zählt nur jene Verunreinigungen, die einem ganz bestimmten Muster entsprechen. Dingermann ist offenbar von diesem Vorgehen überzeugt.
“Dabei sind DNA-Verunreinigungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Moderna-CEO Bancel begründete sein Patent zur Entfernung von DNA-Verunreinigungen damit, dass diese onkogen sein können.”, führt Dr. Henninger aus. […] because residual DNA in drug products may induce activation of the innate response and has the potential to be oncogenic in patient populations, so die Originalformulierung. [5]
Selektive Darstellung
Zuletzt will Dingermann noch die Wirrungen rund um den SV40 Promoter nutzen, um kritische Stimmen unglaubwürdig dastehen zu lassen. Richtig ist, dass dies in den Medien bisweilen unpräzise dargestellt worden ist. Die vollständige SV40 Sequenz ist tatsächlich nicht in den COVID-19 Impfstoffen nachgewiesen worden. Was jedoch sehr wohl nachgewiesen wurde, ist der SV40 Promoter. Dieser enthält eine sog. enhancer Sequenz. Diese konkrete Sequenz hat eine besondere Eigenschaft, denn sie bindet Proteine mit sogenannten nuclear targeting sequences (NTS). Das sind kurze Teile solcher Proteine, die den Zugang zum Zellkern quasi wie ein Schlüssel aufsperren. Der SV40 enhancer wird in der Gentherapie wegen dieser Wirkung regelmäßig eingesetzt. [6] Anhand der bekannten Fragmentlängen der DNA-Rückstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass er vorhanden ist und mitsamt nachfolgender Sequenz in einen Zellkern gelangt. Die Folgen dessen werden von Dingermann verharmlost und sind tatsächlich derzeit noch nicht absehbar.
Fazit
Wir haben gezeigt, dass “Faktenchecker” Theo Dingermann, wie für diese Zunft vielfach üblich, eine Mischung aus Kampfbegriffen, Unwahrheiten und selektiven Darstellungen verwendet, um kritische Stimmen gegen Verfehlungen von Behörden und Pharma-Herstellern zu diskreditieren. Ob dies der Glaubwürdigkeit und charakterlichen Integrität des Autors Dingermann dient, mögen die Leserinnen und Leser selbst beurteilen. Die Pharmazeutische Zeitung wird – so sie zumindest ein grundlegendes Fachniveau bieten möchte – aufgefordert, diese falsche und irreführende Ausführung zurückzuziehen.
Quellenangaben
[1] Dingermann T. Faktencheck: mRNA-Impfstoffe mit DNA verunreinigt? Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH, 2023. online: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/faktencheck-mrna-impfstoffe-mit-dna-verunreinigt-144296/seite/alle/?cHash=9b53268d4ef1ef0960b3a1f025a3acff (abgerufen am 21. 12. 2023)
[1a] analog [1]. online: https://web.archive.org/web/20231217150348/https://www.pharmazeutische-zeitung.de/faktencheck-mrna-impfstoffe-mit-dna-verunreinigt-144296 (abgerufen am 21. 12. 2023)
[1b] analog [1]. online: https://web.archive.org/web/20231215105719/https://www.pharmazeutische-zeitung.de/faktencheck-mrna-impfstoffe-mit-dna-verunreinigt-144296 (abgerufen am 21. 12. 2023)
[2] McKernan K & al. Sequencing of bivalent Moderna and Pfizer mRNA vaccines reveals nanogram to microgram quantities of expression vector dsDNA per dose. OSF preprints, 2023. DOI: https://doi.org/10.31219/osf.io/b9t7m
[3] Speicher D & al. DNA fragments detected in monovalent and bivalent Pfizer/BioNTech and Moderna modRNA COVID-19 vaccines from Ontario, Canada: Exploratory dose response relationship with serious adverse events. OSF preprints, 2023. DOI: https://doi.org/10.31219/osf.io/mjc97
[4] Trozzi M, Plothe C. Urgent Expert Hearing on Plasmid DNA in C-19 mRNA Vaccines: Everything You Need to Know. World Council for Health, 2023. online: https://worldcouncilforhealth.org/multimedia/urgent-hearing-dna-contamination-mrna-vaccines
[5] Issa W & al. Removal of DNA fragments in mRNA production process. United States Patent, 2018. online: https://patentimages.storage.googleapis.com/fc/2d/ee/de8c624d03912f/US10077439.pdf
[6] Dean D & al. Nuclear Targeting of Plasmids and Protein-DNA Complexes. University of Rochester Medical Center Rochester, 2023. online: https://www.urmc.rochester.edu/labs/dean/projects/nuclear-targeting-of-plasmids-and-protein-dna-comp.aspx