PM: #94 Rechtsstaatlicher Tabubruch: Freibeweis bei Grundrechtseinschränkungen

Presseaussendung der GGI-Initiative am 30.01.2024

Während der Corona-Krise gab es zahlreiche neue Regelungen, die zuvor als undenkbar galten. Zunehmend wurden die Schranken des Machbaren ausgedehnt. Einer der wohl grundlegendsten, rechtlichen Tabubrüche war die de facto Beweislastumkehr bei Grundrechtseinschränkungen. Pauschale Unterstellungen wurden in Verordnungen gegossen. Diese Entwicklungen gehören dringend aufgearbeitet und zukünftig unterbunden.

Das Wesen der Demokratie und des Rechtsstaates ist, dass alle Menschen frei sind, zu tun und zu lassen, was sie wollen, solange es nicht gesetzlich verboten ist. Für den Staat gilt das Gegenteil, er darf nichts tun, wozu er nicht ausdrücklich per Gesetz oder Verordnung ermächtigt wurde (Art. 18 B-VG Legalitätsprinzip). Ein wichtiger weiterer Baustein unserer Rechtsordnung ist die Beweislastregel. Hier gilt der Grundsatz „wer behauptet, muss beweisen”. Wer also behauptet, ein Recht für sich in Anspruch nehmen zu können oder jemand anderem eine Pflicht aufzuerlegen, muss hierfür die notwendigen Beweise erbringen. Die reine Behauptung reicht nicht. Nur in wenigen Ausnahmefällen gibt es eine sogenannte Beweislastumkehr, jedoch vorrangig im Privatrecht. Im Verwaltungsverfahren gilt der Ermittlungsgrundsatz. Das heißt, die Behörde ist generell verpflichtet, den Sachverhalt zu ermitteln und die notwendigen Beweise zu erbringen. Eine Art Beweislastumkehr ist nur in ganz engem Ausmaß in Ausnahmefällen zulässig, wenn stichhaltige Indizien gegeben sind.

Der Grüne Pass als Freibeweis

Absonderungsmaßnahmen und Verkehrsbeschränkungen bei anzeigepflichtigen Krankheiten (also Einschränkungen der Bewegungsfreiheit) waren zuvor nur zulässig, wenn Menschen krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig waren. Die Definitionen lauten wie folgt:

Als krank gelten jene Personen, bei denen die Krankheit bereits festgestellt ist, als krankheitsverdächtig solche, die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen, als ansteckungsverdächtig solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch bakteriologisch nachgewiesen ist, daß sie als Träger des Krankheitskeimes anzusehen sind, oder bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, daß sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.[1]

In jedem Fall musste es also konkrete, personenbezogene Hinweise geben, die eine potenzielle Gefährdung nahelegten.

Während der Corona-Krise wurde dieses System ausgehebelt. Gesunde Menschen mussten sich im Rahmen des „grünen Pass”-Systems quasi frei beweisen, um ihren Alltag normal bestreiten zu können.

Allen Menschen wurde pauschal eine „epidemiologische Gefahr” unterstellt und damit schwerwiegende Eingriffe in die Grundrechte gerechtfertigt. Freibeweisen konnten sie sich durch einen „Nachweis der geringen epidemiologischen Gefahr”.

Gegen die Menschenwürde

Dieses Vorgehen stellte einen Tabubruch im Umgang mit Grundrechten und den rechtsstaatlichen Prinzipien dar. Das System wurde de facto auf den Kopf gestellt. Denn es widerspricht der Menschenwürde, pauschal davon auszugehen, dass ein Mensch per se gefährlich ist, bis zum “Beweis” des Gegenteils.

Man stelle sich vor, im Strafverfahren würde für jeden Angeklagten eine Schuldvermutung statt der Unschuldsvermutung gelten. Der Willkür wäre Tür und Tor geöffnet.

Dieses Prinzip war auch der Grund, warum die angedachte Präventivhaft für Flüchtlinge jedenfalls am Verfassungsrecht gescheitert wäre, denn die Freiheitseinschränkung aufgrund von Pauschalbehauptungen, die zwar durch statistische Auswertungen gestärkt, aber eben keine konkrete Aussage über die Gefährlichkeit einer bestimmten Einzelperson ermöglichen, sind mit unserer Verfassung nicht in Einklang zu bringen. Weshalb dies im Fall der Präventivhaft für Juristen glasklar war, die Gleichheit der Systematik aber in Bezug auf Corona nicht erkannt wurde, ist nicht nachvollziehbar.

Kollateralschäden werden zum Regelfall

Auch die Verhältnismäßigkeit muss hier in Betracht gezogen werden. Tatsache ist, dass die allermeisten Menschen, also zumindest weit über 90 Prozent der Bevölkerung zum jeweiligen Zeitpunkt eben gerade nicht an Covid-19 erkrankt, sondern gesund waren, doch alle mussten sich ständig frei beweisen. Die Rechtsordnung nimmt oft geringe Kollateralschäden in Kauf, denn Härtefälle lassen sich kaum vermeiden. Doch ein derartiges, völlig unverhältnismäßiges Ausmaß an sachlich nicht gerechtfertigten Einschränkungen war zuvor undenkbar.

Fazit:

Die Geschehnisse bedürfen einer eingehenden Prüfung. Welche Mechanismen konnten dazu führen, dass der Rechtsstaat derart entgleiste und ganz grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung über Bord geworfen wurden? Gibt es Verflechtungen oder Einflussnahmen, die eine derartige Verbiegung des gängigen Rechts begünstigten? Welche Sicherheitsmaßnahmen können ergriffen werden, dass sich so etwas nicht wiederholt? Eine diesbezügliche Reflexion und Analyse hat bislang nicht stattgefunden, ist jedoch in einer echten liberalen Demokratie unumgänglich.


[1] § 1 Abs 2 Verordnung vom 22. Februar 1915, betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10010177

Siehe auch

PM: #38 Demokratie in Gefahr? Grundsätzliches zu Demokratie & Grundrechten (Teil 1)

2 Gedanken zu „PM: #94 Rechtsstaatlicher Tabubruch: Freibeweis bei Grundrechtseinschränkungen

  1. Das Impfpflichtgesetz ist bloß nur eine von vielen banalst folgerichtigen Ausartungen von sich selbst beschleunigender Herrschaftsentfaltung, dieser ist extremste Eskalation generalwesentlich.

    Die seit Jahrtausenden längst selbstverstetigt eskalierenden Generalangriffskaskaden im Rahmen gesamtplanetar auswuchernder Gewaltgemengelagen aller Art eitern immer mehr in sämtliche Selbstwahrnehmungshorizonte der abhängig als auch herbeigeführt selbstgedungen genötigten Betroffenenmassen.

    Ins Unendliche explodierendst pestilentester Parasitismus ist Herrschaft grundwesentlichst.

    Körper, Ratio und Seele von gegenseitig zerabhängigt herrschaftlich herabdefinierten Zernutzungssubjekten, welche sich unter sachzwanglogischer Mitwirkung zu banalsten Täter- als auch Opferhorden formieren, erscheinen immer offensichtlicher in allärtlichen Schlachtgefilden völliger Verneinung von Selbstbeschränkungsfähigkeit und sohin grundsätzlich lebensfeindlich.

    Die Büchse der Pandora ist offensichtlichst wieder als auch immer noch weit geöffnet, daher sei wiederholt an das grundsätzliche Spannungsverhältnis von Gesundheit und Gemeinschaft erinnert:

    Das Verhältnis von Gesundheit des Einzelnen im Bezug zu jeder Art von Gemeinschaft benötigt folgende grundlegende Voraussetzung:

    Jede Art von medizinischer Nötigung seitens des Staates bzw. ausgelagerter Herrschaftsakte aller Art, direkt und/oder indirekt, selbst in tatsächlichen Fällen von eskalierendsten Pestilenzen darf es nie (sic!!!) geben.
    Das sollte in der Verfassung stehen und sollte nie verändert werden dürfen.
    Gesundheit betrifft ausschließlich das individuelle Leben, daher darf die Konstruktion des sozialen Gesundheitskonzeptes niemals über das Individuum herrschen.
    Die Unantastbarkeit des Körpers sowie der Seele eines jeden individuellen Menschen muß immer über allen anderen sozialen Konstruktionen verwirklicht sein.
    Eine soziale Konstruktion irgend einer Gemeinschaftsstruktur, welche dieses Prinzip nicht akzeptiert, birgt immer die bestialischten Eskalationsextreme in sich.
    Daher kann ausschließlich nur die Verwirklichung dieses Prinzips innerhalb wie zwischen allen menschlichen Gemeinschaften – egal welcher Art – zu einer lebensförderlich ausgeglichen Sozialstruktur führen und diese auch dauerhaft ermöglichen.

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