Brief an ORF zum Sektenbericht

Brief an Ö1

An den ORF
Im Speziellen an die Ö1-Redaktion

Betreff: Reaktion auf Beitrag im Morgenjournal am 23.4.2024 um 7:21
Titel: „Stelle für Sektenfragen: Telegram verbreitet Verschwörungstheorien“

Sehr geehrtes ORF-Team,

ich bin seit 30 Jahren Ö1 Hörerin und langjähriges Ö1-Club-Mitglied, weil ich Ö1 für seine vielfältigen Themen schätze, für die Möglichkeit sich durch Radiohören ein Leben lang fortzubilden und für die grundsätzlich weltoffene Berichterstattung.

Sehr verstört hat mich aber heute ein Bericht im Morgenjournal, wo wieder einmal von Seiten des ORF komplett einseitig und unreflektiert berichtet wurde. Leider vermisse ich in allen Fragen rund um die Berichterstattung zu Corona-Themen die sachlich-nüchterne Haltung, die Ö1 sonst auszeichnet.

Titel: Stelle für Sektenfragen: Telegram verbreitet Verschwörungstheorien

Zitat:
„Tausende Menschen haben am Höhepunkt der Corona-Pandemie auf Österreichs Straße gegen die Maßnahmen protestiert, … Man kann sich nicht mehr aufregen, man kann keinen Protest mehr organisieren gegen Covid19-Schutzmaßnahmen,“ sagt Felix Lippe von der Bundesstelle für Sektenfragen.
Hier unterstellt der ORF den Menschen, (die ihn übrigens durch ihre Beiträge finanzieren), dass sie nur auf die Straße gegangen sind, um sich aufzuregen!? Weil sie nichts Besseres zu tun haben? Will man damit sagen, dass die Anliegen aller Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind, unberechtigt waren?

Und warum wird jemand von der Stelle für Sektenfragen (!) beauftragt, über protestierende Menschen zu berichten?
Ein Großteil der Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind, waren „ganz normale“ Menschen, viele Eltern, Großeltern, die sich Sorgen um die Zukunft für sich und ihre Kinder und Enkel gemacht haben, angesichts einer immer autoritärer handelnden Regierung. Vieles, was damals kritisiert wurde, hat sich im Nachhinein als berechtigte Kritik herausgestellt, etliche Verordnungen der Regierung mussten aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen aufgehoben werden. Davon hört man im ORF kaum etwas, aber es wird den Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind, unterstellt, sich jetzt weiter als „Corona-Leugner und Rechtsextremisten ebenso wie Esoterik-Fans“ in Telegram-Kanälen zu organisieren. Was ist das für eine ungeheuerliche Unterstellung?

Ulrike Schiesser: „Die waren teils richtig in Panik, und haben damit gerechnet, dass morgen die Panzer über die Ringstraße fahren, dass der Dritte Weltkrieg unmittelbar bevorsteht und in dieser Angst auch entsprechende Handlungen gesetzt. Haben also Waffen gekauft, Jobs gekündigt, Kinder aus der Schule genommen, also es kann einzelne Personen auch ganz massiv beeinflussen.“

Ja, es waren Menschen in Panik, weil die Regierung Angst geschürt hat. Zitat des damaligen Bundeskanzlers Kurz: „Jeder wird jemanden kennen, der an Corona gestorben ist.“ Das ist nur ein Beispiel einer groben Falschbehauptung (Schwurblerei könnte man sagen) von Seiten der Regierung, die im Weiteren ihr Handeln als alternativlos dargestellt hat, fleißig unterstützt vom ORF, der bis heute dabei mitmacht, jede Form von sachlicher Kritik an den Corona-Maßnahmen unter dem Begriff „Schwurbler“ und „Corona-Leugner“ lächerlich zu machen und damit jede sachliche Diskussion unterdrückt. Damit trägt aber genau der ORF, der sich ja Objektivität und Aufgeklärtheit auf die Fahnen heftet, dazu bei, dass sich die Menschen weiter enttäuscht abwenden und anderen Medien zuwenden.

Und: Ja, es haben Menschen ihre Jobs verloren, weil sie gekündigt wurden, wenn sie sich nicht impfen lassen wollten.
Und ja, Kinder durften nicht in die Schule, weil die Regierung es verboten hat!
Und ja, die autoritäre Haltung der Regierung damals und die einseitige Art der Berichterstattung beeinflussen viele Menschen heute immer noch! Alles, was Ulrike Schiesser von der Stelle für Sektenfragen hier als Vorwurf bringt, sind Dinge, die die Regierung in den Corona-Jahren tatsächlich bewirkt hat und der ORF massiv unterstützt hat. Und dann wundert man sich, wenn die Menschen sich ihre Informationen woanders suchen!

Klar, gibt es auch viele Falschmeldungen im Netz. Um solche zu erkennen, braucht es mündige, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, die ermutigt werden kritisch zu denken! Aber mit so einer einseitigen Berichterstattung wird der ORF nicht dazu beitragen, dass Falschmeldungen von Menschen besser erkannt werden. Vielmehr verbreitet der ORF damit selbst Falschmeldungen, indem er alle, die Kritik an den Maßnahmen in der Corona-Zeit geübt haben, unreflektiert in einen Topf wirft, zusammen mit Menschen, die wirklich krasse Theorien verbreiten, mit (Rechts)Extremen, und sie grundsätzlich als nicht-ernstzunehmend darstellt, indem immer wieder auch der Begriff „Schwurbler“ verwendet wird.

Ich würde mir wünschen, dass der ORF Abstand nimmt von diffamierenden Begriffen und lieber sachlich und nüchtern kritisch berichtet!

Abschließendes Zitat:
Es brauche nicht viel, um wieder Menschenmassen zu mobilisieren, berichtet Christine Baumgartner.

Warum, fragt man sich, ist es schlecht, wenn Menschen mobilisiert werden können? Ist das heute nicht mehr erwünscht, dass Menschen auf die Straße gehen, um sich für ihre Rechte einzusetzen? Leben wir nicht in einer Demokratie, wo das dazugehört? Oder wünscht sich der ORF Menschen, die mucksmäuschenstill zu Hause sitzen, alles unreflektiert glauben, was sie in den Medien hören, und allen Anweisungen der Regierung blind gehorchen? Ist es das, was sich der ORF wünscht?

Mit der dringenden Bitte um Aufklärung!

Mit freundlichen Grüßen


TRANSKRIPT des Beitrages im Morgenjournal vom 23.4.2024

Titel:
Stelle für Sektenfragen: Telegram verbreitet Verschwörungstheorien

Einleitung:
Die Corona-Pandemie war der beste Nährboden für Verschwörungstheorien und -Mythen. Die
Maßnahmengegner haben sich vor allem in Telegram-Kanälen zusammengeschlossen und diese Netzwerke gibt es auch heute noch, nur sind die Themen heute andere. Womit sich die Protestbewegung von damals heute beschäftigt, ist Inhalt eines Forschungsprojekts der Bundesstelle für Sektenfragen.

Bericht:
Tausende Menschen haben am Höhepunkt der Corona-Pandemie auf Österreichs Straße gegen die Maßnahmen protestiert. Diese Zeiten sind vorbei, Corona allein als Thema zieht in Telegram-Kanälen nicht mehr, sagt Felix Lippe von der Bundesstelle für Sektenfragen: „Man kann sich nicht mehr aufregen, man kann keinen Protest mehr organisieren gegen Covid19-Schutzmaßnahmen, das heißt, dass die AkteurInnen jetzt eigentlich versuchen, über das Bespielen von anderen Themen relevant zu bleiben.“

Großes Thema war der Angriffskrieg auf die Ukraine, mobilisieren lässt sich auch mit Asyl, Gender oder Klimawandel. Fast 300 Kanäle beobachtet Felix Lippe mit seinem Team. Dort tummeln sich Corona-Leugner und Rechtsextremisten, ebenso wie Esoterik-Fans oder politische Parteien wie die FPÖ oder die Impfgegnerpartei MFG. „Ein digitaler Raum, ein Ökosystem ist entstanden während der Pandemie, und was wir herausgefunden haben, dass es nicht verschwunden ist am Ende der Maßnahmen und es besteht weiterhin und hat sich auf einem relativ hohen Niveau eingependelt.“

Der reichweitenstärkste Telegram-Kanal ist mit knapp 300.000 Followern der österreichische Verschwörungssender Auf1, so professionell aufgezogen, dass Laien oft nicht mehr erkennen können, dass es sich um Verschwörungstheorien handelt. Manche Menschen verlieren sich regelrecht in diesen Netzwerken und werden süchtig. Was das etwa während der Corona-Pandemie ausgelöst hat, weiß Ulrike Schießer, Psychologin bei der Bundesstelle für Sektenfragen. „Die waren teils richtig in Panik, und die haben damit gerechnet, dass morgen die Panzer über die Ringstraße fahren, dass der Dritte Weltkrieg unmittelbar bevorsteht und in dieser Angst auch entsprechende Handlungen gesetzt. Also Waffen gekauft, haben Jobs gekündigt, haben Kinder aus der Schule genommen, also es kann einzelne Personen auch ganz massiv beeinflussen.“

Der Einfluss der Telegram-Netzwerke ist nicht mit der Corona-Pandemie zu Ende gegangen, im Gegenteil: „Man hat gesehen, dass dieses Netzwerk eine massive Mobilisierungsmöglichkeit hatte während der Pandemie, also die konnten schon innerhalb kürzester Zeit viele Menschen erreichen und auch auf die Straße bringen, und dieses Potenzial ist nach wie vor da … also es braucht nur das richtige Thema wieder auftauchen und da sind gleich wieder sehr viele Menschen erreichbar.

6 Gedanken zu „Brief an ORF zum Sektenbericht

  1. Ja, das ist mir als medienkritischer (und noch immer viel-zu-viel) ORF-Seher natürlich auch schon aufgefallen: der ORF behindert reflexartig jede Form der ehrlichen Corona-Aufarbeitung durch eine typische cover-my-ass Propaganda in eigener Sache, die jeden Ansatz seine eigene unrühmlichen Rolle während der Pandemie öffentlich zu hinterfragen im Ansatz zu ersticken versucht. Wird aber nicht gelingen, auch dank eurer Arbeit.

  2. Danke SEHR für diesen Hörerinnenbrief, dem ich mich als Pharmazeutin nur anschließen kann und untermauern möchte: Ja, auch ich – und viele andere Kolleginnen waren regelrecht in Panik (um uns selbst und andere Menschen), dass ein politischer – fachlich vollkommen unhaltbarer – also durch Nichts zu rechtfertigender indirekter und indirekter Zwang auf alle Bürger – auch auf Kinder und Jugendliche – ausgeübt wurde, sich einer experimentellen gentherapeutischen Injektionen unterziehen zu müssen.

    Deshalb habe auch ich einen mit Fachliteratur referenzierten, fundierten Einspruch gegen das Impfpflichtgesetz gemacht. Die Innenministerin sprach einem sogar das Recht ab, weiterhin in Österreich zu wohnen. Welche empörende Übergriffigkeit – natürlich führt auch das dazu, dass Menschen in Panik geraten, demonstrieren und sich vernetzen. Gott sei Dank gibt es Telegram! Dort findet sich u.a. unzensurierte Informationen, bis hin zu Fachinformationen, Interviews, Sendungen, die man im Mainstream nicht im Ansatz findet. Sicherlich gibt es wie in anderen Medien auch Überflüssiges, Werbung und Unseriöses. Deshalb aber Telegram-Nutzerinnen pauschal als “sektenverdächtig” zu verurteilen, passt genau zum haltlosen difammieren, ausgrenzen und drangsalieren Ungeimpfter als Sozialschädlinge und todbringende Virenschleudern. Alles nachweisliche Unwahrheiten!
    Solche Sendungen sind Ö1 unwürdig.
    Auch ich bin schon ewig Ö1 Hörerin und Clubmitglied und erwarte mir eine offizielle Entschuldigung und differenzierte Berichterstattung zum Thema (wie sie beispielsweise investigative Ö1-Journalisitin Daphne Hruby macht)
    Mit bestürzten Grüßen, Mag. pharm. Karin Hofinger, 6080 Igls/Tirol
    (PS: Ich werde das auch an Ö1 schicken)

  3. Zwar lebe ich in Berlin, doch ich kann den Brief nur unterstützen. Man könnte “ORF” locker durch “ARD” bzw. “rbb” austauschen. Ich und viele andere einfach nur kritisch-logisch denkende, einfach nur hinterfragende Menschen sind bis heute sozial traumatisiert durch die von den öffentlich-rechtlichen Medien selbst betriebenen und forcierten Verleumdungen, die Hetze, die Beleidigungen und die Ausgrenzung.

  4. Ich kann dem Hörerbrief nur vollinhaltlich beipflichten, es ist nahezu skandalös, dass da von offizieller Seite keine Kritik darüber zu hören ist! So sieht also die “Aufarbeitung der Corona-Krise” aus, die die ÖVP-Politik ja großmundig versprochen hat.

  5. Ich meine, dass auch Ö1 dort mainpuliert, wo es im Regierungsinteresse ist.
    Deshalb höre ich diesen Sender nur mehr wenn mir manchmal beim Autofahren fad ist, um dann zumeist leider wieder zu erkennen, was da läuft und bald wieder abzuschalten. MfG, Erwin Tripes.

  6. Auch mir spricht dieser Brief an den ORF aus der Seele – scharfsinnig analysiert und treffend argumentiert. Ich frage mich allerdings, ob das Schreiben im ORF irgendjemand kümmert. Die Luxusgehälter sind dank der Zwangsgebühren fest einzementiert, egal was auch immer sie liefern. Objektivitätsgebot und Bildungsauftrag sind beliebig interpretierbare Floskeln und das journalistische Berufsethos ist politischem Opportunismus untergeordnet. Auf Aufklärung kann man da lange warten …

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