Presseaussendung der GGI-Initiative am 20.04.2023
Der Personalmangel in den Pflegeberufen in Österreich hat zu einer vernachlässigten Pflegequalität in Altenheimen geführt. Mit dem Auftreten von Covid-19 wurde plötzlich der Schutz der alten Menschen zum Ziel erklärt, um Lockdowns, wirtschaftlichen Stillstand und soziale Distanzierung zu rechtfertigen. Die Schutzmaßnahmen führten jedoch zu einer Verschlechterung des Wohlbefindens vieler Heimbewohner. Der Pflegebereich, in dem Investitionen notwendig gewesen wären, um Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung für die Betroffenen zu gewährleisten, wurde von der Politik vernachlässigt.
Seit Jahren herrschte in Österreich ein Personalmangel in den Pflegeberufen. Besonders die Altenheime sind notorisch unterbesetzt. Jeder wusste es, aber die Politik hat sich bislang nicht großartig darum gekümmert. Zu verworren und zu komplex sind die Strukturen des österreichischen Gesundheitssystems und die unterschiedlichen Interessen der politischen Stakeholder mit dem Fokus auf Machterhalt.
Schutz der Vulnerablen – eine vorgeschobene Rechtfertigung?
Dann kam Covid-19 und plötzlich war alles anders. „Wir müssen die vulnerablen Gruppen schützen“, hieß es. Kinder sollten sich an die Maßnahmen halten, damit sie ihre Großeltern nicht umbringen. Alles für den Schutz der Alten – Lockdowns, Stillstand der Wirtschaft, Isolation und Abbruch der sozialen Kontakte. All das für die Menschen, deren Pflegesystem zuvor kaputtgespart und deren Einbußen an Lebenszeit und Lebensqualität billigend in Kauf genommen wurden. Hinterfragt wurde nie, ob die Vulnerablen überhaupt geschützt werden wollten, und wenn ja – wie?
Schutz oder Schutzhaft?
Die Expertise der Geriatrie wurde nicht eingeholt, genauso wenig wie die der Langzeitpflege und die Betroffenen wurden ohnehin nicht gefragt. Der von oben verordnete Umgang mit alten Menschen im Pflegeheim erinnerte an eine zwangsweise Schutzhaft. Oft wurden sie alleine in ihren Zimmern isoliert. Es gab weitreichende Besuchsverbote oder -beschränkungen, über Wochen und Monate. „Angehörigen wurde der Zutritt zu Ihren Eltern verwehrt, Leute sind mutterseelenallein verstorben. Regelmäßige Besuche sind wichtig, Reizarmut beschleunigt Demenz und auch körperlichen Verfall. Da haben sich Tragödien abgespielt“, schildert eine Altenpflegerin die Zustände.
Für manche mag der Schutz des eigenen Lebens die höchste Priorität gehabt haben, andere jedoch legten mehr Wert auf den Kontakt zu ihren Liebsten, für die noch verbleibende Zeit. Das Selbstbestimmungsrecht – ein Grundsatz in jeder (medizinischen) Betreuung – wurde vollkommen ignoriert. Die Grund- und Freiheitsrechte de facto ausgehebelt. Ein Rückschritt, der die jahrelange Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Menschenrechte in diesem Bereich mit einem Schlag zunichte machte.
Die Schuld liegt nicht beim Pflegepersonal
Das Pflegepersonal und auch die Altenheime wurden heillos überlastet. Im steten Bemühen, die zu Pflegenden zu schützen, kam die Freiheit und Selbstbestimmung zu kurz. Doch wie hätte die auch noch gewährleistet werden sollen, mit derart knappen Ressourcen? Das Problem ist bekannt – die Pflegequalität leidet aufgrund des unzureichenden Personalschlüssels. Oft sehen sich die Pflegenden genötigt, eigentlich unnötige Medikation zu verabreichen, um die Menschen “ruhigzustellen”, weil die Arbeitslast sonst unmöglich zu bewältigen wäre. Die zusätzlichen Schutzmaßnahmen konnten nur zu Lasten der Freiheit und des Wohlbefindens der Heimbewohnerinnen und -bewohner gehen.
Wo bleiben die Milliarden für den Pflegesektor?
Es ist geradezu zynisch, den “Schutz der Vulnerablen” als Rechtfertigung für die einschneidenden Maßnahmen und die Milliardeninvestitionen in die Wirtschaft zu missbrauchen. Die Angstpolitik der Regierung verlagerte den Druck auf das Pflegepersonal. Keiner wollte für Covid-Todesfälle verantwortlich sein – doch von der Politik wurden sie im Stich gelassen. Im Pflegebereich, wo die Investitionen dringend notwendig gewesen wären, um sowohl Sicherheit, Freiheit und Selbstbestimmung für die Betroffenen zu gewährleisten, blieben sie aus. Rund 47 Milliarden Euro wurden vom Bund zur Bewältigung der Krise investiert – nur eben nicht ins Pflegesystem.
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Ein Gedanke zu „PM: #20 Der Mythos vom Schutz der vulnerablen Gruppen“
Persönliche Erfahrung auf einer Bettenstation: Fast alle Bewohner waren während der Pandemie einmal oder öfter positv getest – teils ohne oder mit minimalen Symtomen im Heim teils auch mit KH Einweisung, egal ob geimpft oder nicht. Dass eine 95 jährige Bew. positiv getest mit schwerer COPD und andere div. Vorerkrankungen sterben kann und das ein COVID Fall ist – darüber sollte man gerne diskutieren. In “meinem” Haus war keine Übersterblickeit zu erkennen. Tatsächlich ist akutell (Jänner bis jetzt 2023) aber eine Übersterblichkeit zu erkennen, die niemanden interessiert und auch als solche nicht wahrgenommen wird, geschweige denn nach deren Ursache gesucht wird (bei fast 100% iger Durchimpfungsrate). Ebenso waren die Hygienemaßnahmen massiv überzogen, da ich mich persönlich (DGKP mit ständigem Bewohnerkontakt) darüber hinweggesetzt habe und nachweislich niemanden infiziert habe, obwohl ich als Nichtgeimpfter 2x positv mit normalen Symtomen abgesondert war. Dass manche Bewohner aufgrund dieser Situation von ihren Angehörigen nicht besucht werden konnten, und diese daruter litten kann ich bestätigen, fand und finde ich als Verbrechen an diesen Menschen. Viele Verbrechen an der Menschenwürde dieser Menschen gäbe es noch zu berichten, aber die Verbrecher werden werden als Helden gefeiert.