PM: #69 ALLERSEELEN: Zwischen Totengedenken und Wert des Lebens

Presseaussendung der GGI-Initiative am 02.11.2023

Allerseelen ist der Tag, an dem Katholiken der Verstorbenen gedenken. Neben der Erinnerung an jene ruft man sich das Verhältnis zum Tod und zur eigenen Vergänglichkeit ins Bewusstsein. Das Gedenken und die öffentliche Aufmerksamkeit waren in den letzten Jahren jedoch stark verzerrt. Fast ausschließlich wurde der Corona-Tod als Katastrophe und Versagen der Lebenden hervorgehoben. Die große Mehrheit an Todesfällen durch andere Ursachen, darunter die Opfer seit jeher bekannter Krankheiten, wurden weitgehend ausgeblendet. Auch jetzt, wo die Sterberate weiter erhöht ist und die Lebenserwartung sinkt, werden die Ursachen dafür verdrängt. Wollen wir wirklich immer nur die Anzahl der Lebensjahre weiter erhöhen und dies mit Isolation und Einsamkeit erkaufen? Nutzen wir Allerseelen auch zur Besinnung auf das Leben in Würde und Selbstbestimmung.

Heute feiern die Katholiken Allerseelen und gedenken dabei ihrer Toten. Dazu versammeln sich am Nachmittag des Allerheiligentages Hunderttausende auf den Friedhöfen des Landes – Gläubige und Nichtgläubige. Die Gärtner und Floristen sowie die Grablichthersteller machen im Vorfeld enorme Umsätze, Musikkapellen spielen zwischen den Gräbern für die größte Zuhörerschaft des Jahres, Lautsprecheranlagen werden aufgestellt, Kirchenmänner und mitunter auch ein paar weibliche Laien segnen die Grabstätten, es wird gebetet und erinnert, auch Verwandte trifft man wieder, Verkehrs-Chaos rund um die Friedhöfe inklusive.

Gedenken und Endlichkeit

Allerseelen geht es um die Erinnerung an Verstorbene, aber auch um das eigene Verhältnis zum Tod und zur Vergänglichkeit, um die urmenschliche Angst vor dem Sterben. Allerheiligen und Allerseelen wurzeln in der christlichen Überzeugung, dass durch Jesus Christus eine Verbindung zwischen Lebenden und Toten besteht. Für Christen bedeutet der Tod nicht das Ende, sondern den Beginn der Ewigkeit als Auferstandene. Das Gedenken an Verstorbene hat – unabhängig vom Glauben – aber für viele Menschen eine hohe Bedeutung. Rückblickend betrachten wir viele Dinge in einem neuen Licht.

Die Frage nach Prioritäten

In den letzten Jahren lag der Fokus aber nicht auf allen Toten. Es wurde massiv priorisiert und der Blick lag fast ausschließlich auf denjenigen, die an oder mit Corona verstorben sind – oft unabhängig von deren tatsächlicher Todesursache. Laut Statistik Austria waren das 6.491 Menschen im Jahr 2020, 7.836 im Jahr 2021 und 6.317 im Jahr 2022, insgesamt 20.194 Corona-Tote in diesen drei Jahren (von 2020 bis 2022 sind in Österreich gesamt 275.523 Menschen verstorben). (1)

Jeder Mensch hat den gleichen Wert und die gleiche Würde, unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand. Warum also konzentrieren wir uns fast ausschließlich auf die 7 Prozent der Corona-Toten? Warum sind uns die rund 21.000 Krebstoten pro Jahr (23 Prozent) weniger wichtig? Oder die 32.000, die an Herz- oder Kreislaufproblemen versterben (34 Prozent), und die rund 1.300 Suizide? Warum schenken wir nicht auch den rund 3.000 Diabetes-Toten oder den 800 Menschen, die ihrer Sucht erliegen, Beachtung? Durchschnittlich 1.500 Alte sterben jährlich an Alzheimer oder Demenz, und 4.800 an Atemwegserkrankungen. Zudem gibt es 380 Todesfälle bei Verkehrsunfällen und insgesamt 5.000 Menschen, die durch Verletzungen und Vergiftungen zu Tode kommen. (2)

Wenn jedes Leben von gleicher Bedeutung ist, warum untersuchen wir nicht die Ursachen für die in den letzten Jahren gestiegene Sterberate (Anzahl der Toten pro 1.000 Einwohner), die immer etwas über 9 lag und nun auf 10,3 gestiegen ist (3)? Oder warum analysieren wir nicht die Gründe für die gesunkene durchschnittliche Lebenserwartung (2022: 78,99 Jahre für Männer und 83,73 Jahre für Frauen)? (4)

Gesellschaftliche Verantwortung

Ist es unser Bestreben als Gesellschaft, um jeden Preis mehr Lebensjahre für den Einzelnen zu erkämpfen? Oder ist es nicht viel menschenwürdiger, in den verbleibenden Jahren mehr Leben im eigentlichen Sinn zu ermöglichen? Mehr Geselligkeit, mehr Lebensfreude, mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung? Ist es erstrebenswert, Alte in Isolation allein sterben zu lassen, um sie keiner Ansteckungsgefahr auszusetzen? Ist Einsamkeit nicht ein Mitgrund für das Sterben?

Richten wir – gerade zu Allerseelen – unser Augenmerk auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Auf bestmögliche medizinische, aber auch ganzheitliche, einfach menschliche Betreuung und Versorgung – für alle Menschen, nicht nur für jene, die an einer neuen Erkrankung leiden. Respektieren wir die Wünsche und Bedürfnisse von Alten, Kranken und Unmündigen und bestimmen wir nicht über ihre Köpfe hinweg.

Quellen

https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/gestorbene/demographische-merkmale-von-gestorbenen

https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/bevoelkerung/gestorbene/todesursachen

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/298625/umfrage/mortalitaetsrate-in-oesterreich/

https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2023/01/20230126Sterbefaelle2022.pdf

Siehe auch

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