PM: #11 Evidenzbasierte Maßnahmen?

Presseaussendung der GGI-Initiative am 14.03.2023

“Evidenzbasiert” zählt wohl zu den am meisten strapazierten Wörtern während der Gesundheitskrise. Mit dem Wort evidenzbasiert ist alles gesagt: Es ist wissenschaftlich, es ist richtig, Ende der Diskussion. So weit so gut. Aber: Was heißt eigentlich evidenzbasiert?

Evidenzbasiert ist eine Maßnahme dann, wenn sie auf wissenschaftliche Belege und Beweise gestützt ist, wenn deren Wirksamkeit unter Studienbedingungen und unter Alltagsbedingungen erwiesen ist. Die Definition ist klar. Von einer evidenzbasierten Maßnahme kann nur dann gesprochen werden, wenn diese auf einer plausiblen wissenschaftlichen Grundlage steht. Ebenso klar ist, dass nur dann von einer plausiblen wissenschaftlichen Grundlage gesprochen werden kann, wenn Unbefangenheit, Nachvollziehbarkeit und Methodenverständnis gegeben, sowie eine kritische Betrachtung und Plausibilitätsprüfung erfolgt sind.

Zu beantworten bleibt die Frage: Waren die Maßnahmen der Regierung evidenzbasiert?

Unbefangenheit

Evidenz suggeriert Objektivität. Um von Evidenz sprechen zu können, bedarf es zu allererst Unbefangenheit. Die ist dann gegeben, wenn Wissenschafterinnen und Wissenschafter ergebnisoffen und ohne Interessenskonflikte an das Thema herangehen.

Nachvollziehbarkeit und Methodenverständnis

Um von Evidenz sprechen zu können, bedarf es solider (hieb- und stichfester) Studien. Solide ist eine Studie dann, wenn eine sinnvolle Methodik angewandt und diese klar und nachvollziehbar dargestellt wird. Zudem bedarf es einer seriösen Interpretation der Ergebnisse. Das ist dann der Fall, wenn die Ergebnisse auf Basis eines soliden Verständnisses der angewandten Methodik und ihrer Grenzen interpretiert werden.

Als Negativbeispiel aus dem Pandemiemanagement der Regierung sei dazu folgendes genannt:

Im Bericht zur Sitzung der GECKO vom 11. 7. 2022 wird eine preprint-Studie (*) der Arbeitsgruppe um Ziad Al-Aly zitiert (Al-Aly & al., 2022). Diese Gruppe ist für Panikmache durch Griff in die statistische Trickkiste bekannt. Bereits in einer früheren Studie wollte diese Gruppe um Ziad Al-Aly einen starken Zusammenhang zwischen Langzeitauswirkungen auf das Herz und einer Infektion mit Sars-Cov-2 erkannt haben (Xie & al., 2022). Hier hat allerdings eine andere Gruppe gezeigt (Erqou & al., 2022), dass der Zusammenhang bereits weitgehend verschwindet, wenn eine geringfügige Anpassung im statistischen Verfahren vorgenommen wird. Deshalb wäre bezüglich der ersten Studie eine genaue Überprüfung der Methodik angebracht gewesen, ohne von vornherein von hoher Effektstärke bezüglich der Langzeitwirkung einer Infektion auszugehen.

Kritische Betrachtung und Plausibilitätsprüfung

Evidenz muss zudem geprüft werden. Und zwar nicht nur bezüglich der angewandten Methodik und deren Aussagekraft, sondern auch bezüglich ihrer Plausibilität. Es muss klar sein, ob die Ergebnisse relativ oder absolut sind, sie Korrelation oder Kausalität (**) zeigen usw.

Dazu sei folgendes Negativbeispiel aus dem Pandemiemanagement der Regierung genannt:

Im Bericht zur Sitzung vom 7. 11. 2022 wird eine Studie zitiert, die ein enorm hohes Aufkommen vom Post-Covid-Syndrom (Long Covid) festgestellt haben will (Peter & al., 2022). In dieser Studie wurden Personen auf eine große Bandbreite generischer Symptome befragt. Post-Covid ist hier wörtlich zu nehmen, die Symptome sind tatsächlich nur zeitlich nach Covid oder einem positiven Test aufgetreten. Aber Kausalität kann damit allein nicht festgestellt werden. Denn: Zusammenhang bedeutet nicht gleich Ursächlichkeit. Die Autoren weisen selbst auf einige bemerkenswerte Schwächen und Einschränkungen der Untersuchung hin. Dennoch hat die GECKO einfach nur einen Teil wiedergegeben, ohne kritisches Hinterfragen der Methodik oder einer Prüfung der Ergebnisse auf Plausibilität.

Multidisziplinäre Evaluierung

Es ist also möglich und zwingend notwendig, die Qualität von Studien objektiv zu beurteilen. Zudem gibt es in der evidenzbasierten Medizin einen Stufenbau der Evidenz (***). Es kann daher anhand der Entscheidungsgrundlagen beurteilt werden, ob die Regeln der evidenzbasierten Medizin eingehalten wurden oder nicht. Denn die entscheidende Frage die sich hier stellt ist: Wussten die Verantwortlichen es besser, oder hätten sie es besser wissen müssen?

Wir von der GGI fordern eine umfassende und vor allem ernstzunehmende Evaluierung des Krisenmanagements der Regierung, inklusive kritischer Durchleuchtung der herangezogenen Evidenz. Schließlich wurden darauf aufbauend zahlreiche fragwürdige Maßnahmen gesetzt – ja, sogar schädliche Entscheidungen und massive Grundrechtseingriffe vorgenommen.

Ernst zu nehmen ist eine Evaluierung jedoch nur dann, wenn sie von einer externen Stelle vorgenommen wird, und wieder ein kritischer Diskurs eingeleitet wird, wenn also verschiedene Disziplinen und Sichtweisen sowie kritische Stimmen einbezogen werden. Wir von der GGI sind gerne bereit bei der Aufarbeitung und Evaluierung mitzuwirken.

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Hinweis: Zur besseren Verständlichkeit wurde der Text vereinfacht. Allfällige, dadurch entstehende, wissenschaftliche Unschärfen bitten wir zu entschuldigen.

*) Preprint-Studie: eine noch nicht begutachtete und in keiner Fachzeitschrift veröffentlichte Studie

**) Unterschied Korrelation und Kausalität: Korrelation prüft, ob eine Beziehung zwischen zwei Phänomenen besteht. Wenn beobachtet wird, dass sich zwei Phänomene gemeinsam verändern, bedeutet dies nicht, dass wir wissen, dass das eine Phänomen das Auftreten des anderen Phänomens verursacht hat. Eine Korrelation impliziert nicht zwingend einen Kausalzusammenhang. Oft treten Phänomene rein zufällig gemeinsam auf, wie z.B. Störche und Babys.

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