Presseaussendung der GGI-Initiative am 07.03.2023
Kinder und Jugendliche haben keine starke Vertretung, da sie weder als Wähler:innen noch als Konsument:innen besonders relevant sind. Daher ist es Aufgabe der Erwachsenen, auf die Einhaltung der Kinderrechte zu achten. In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen sind diese festgehalten. Wie sträflich diese in den letzten Jahren verletzt wurden, wird nachfolgend exemplarisch ausgeführt:
Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung: Manche Kinder hatten aufgrund von Vorerkrankungen ein Masken-Befreiungsattest. Oft mussten sie in der Schulklasse aber abgesondert in einem Eck sitzen, und der Kontakt zu anderen Kindern wurde ihnen verweigert. Durch das permanente Testen waren Kinder mehrmals wöchentlich der Angst ausgesetzt, womöglich positiv zu sein und dann abgesondert zu werden. Später wurde in manchen Schulklassen der Impfstatus laut verkündet und so der Nährboden für Denunziation und Ausgrenzung geschaffen. Lehrer:innen und Lehrbetriebe stellten nicht geimpfte Kinder mitunter an den Pranger und setzten sie unter Druck. Durch flächendeckende 2G-Regelungen erfuhren Jugendliche eine systematische Drangsalierung und den totalen Ausschluss.
Recht auf Gesundheit: Laut Anweisung des Herstellers muss beim Tragen von FFP2 Masken nach spätestens 45 Minuten eine Pause von 15 Minuten eingelegt werden, um “ausreichend” Sauerstoff zu bekommen. Das österreichische Arbeitsrecht verlangt spätestens nach 75 Minuten eine 30-minütige Pause. Aber Kinder mussten die Maske oft bis zu acht Stunden täglich ohne Unterbrechung tragen.
Bewegung ist für die Kindergesundheit essenziell. Turnunterricht fand aber monatelang nur sehr eingeschränkt statt. Leibesübungen im Freien mit Maske war nur eine der Absurditäten, die tatsächlich vorkamen. Vereins- und Teamsport wurden verunmöglicht.
Recht auf Bildung und Ausbildung: Zwischen März 2020 und Juni 2021 waren die Schulen immer wieder geschlossen, davon 16 Wochen komplett für alle Kinder. Für Jugendliche noch viel länger als für Volksschüler, nämlich insgesamt 39 Wochen. Manche Lehrlinge sahen ihre Schule überhaupt nie von innen. Studierende saßen allein in ihren WG-Zimmern und betraten in ihren ersten Semestern kaum einen Hörsaal.
Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung: Wochenlang waren in ganz Österreich die Spielplätze sowie Wanderwege oder Naherholungsgebiete abgesperrt, sodass die Kinder sich nicht im Freien bewegen konnten. Sport- und Freizeitvereine mussten ihre Angebote einstellen, Bäder, Sportanlagen und -hallen sowie Jugendzentren waren gesperrt. Haushaltsfremde Personen (auch Freunde genannt) zu treffen, war untersagt. Mit der Impfung und den damit einhergehenden 2G-Regelungen war es dann für viele Jugendliche weiterhin unmöglich, normalen Freizeitbeschäftigungen wie Kino oder Sport nachzugehen.
Recht auf Privatsphäre und gewaltfreie Erziehung: Das Zusammenleben in kleinen und kleinsten Wohnungen lässt keine ausreichende Privatsphäre zu. Auch Distanzunterricht funktioniert ohne geeigneten Arbeitsplatz und etwas Ruhe kaum. Die Regierung hat es verabsäumt, für Kinder mit prekären Wohnverhältnissen geeignete Räumlichkeiten für den Distanz-Unterricht zur Verfügung zu stellen. Anstatt Familien zu stärken, wurden sie in der Krise in Angst und Panik versetzt, was elterliche Fürsorge zusätzlich erschwerte. Häusliche Gewalt sowie körperliche und sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen haben in den Lockdowns massiv zugenommen.
Ein Gipfel der Verletzung von Kinderrechten waren wohl die Wiener Boosta-Clips auf TikTok – dem Medium für Junge. Was für eine unsägliche, aus der Zeit gefallene Schwarze Pädagogik wurde da vermittelt: Angst, Zwang, Gewaltverherrlichung und Entführung als Mittel zum Zweck.
Recht auf besondere Fürsorge bei Behinderung: Kinder, die zur Entlastung der Eltern teilweise fremdbetreut waren, mussten in der Corona-Krise nach Hause geholt werden, wo die Familien mit ihren Kindern mit Beeinträchtigung dann alleine gelassen wurden.
Gesundheit reduziert auf Virenlast und Ct-Wert
Wie konnte es passieren, dass wir auf die umfassenden Bedürfnisse unsere Kinder und Jugendlichen so wenig achteten und sie so sehr verletzten, misshandelten und langfristig schädigten? Erst erklärte man ihnen, dass sie Oma und Opa ins Grab brächten, wenn sie sie umarmten, dann überließ man sie vielfach sich selbst und beschädigte damit viele Kinderseelen nachhaltig. Die Schulen wurden über Wochen geschlossen, sonstige Freizeitaktivitäten waren kaum mehr möglich. Kinder saßen plötzlich ihres sozialen Umfeldes beraubt, ununterbrochen vor Computern und vereinsamten. Digitaler Distanzunterricht konnte die Präsenzschule nur sehr unzureichend ersetzen. Eine unbeschwerte Kindheit mit Erfahrungen sammeln, in der peer-group reifen, sich ausprobieren und austoben wurde in den letzten Jahren ausgetauscht gegen Angst vor Schmutz, vor Bakterien, vor Kontakt mit Erwachsenen und anderen Kindern. Auch junge Menschen wurden reduziert auf ihre Virenlast. Nicht in Betracht gezogen wurde, dass zur Gesundheit fundamental auch soziale Kontakte gehören. Und dass Angst und Sorgen krank machen. Noch dazu, wo gesunde Kinder nie besonders bedroht vom Virus waren und auch nicht als Treiber der Pandemie identifiziert werden konnten.
Je nach ökonomischen und sozialen Ressourcen der Familie sowie der persönlichen Resilienz konnte diese Zeit von der Jugend besser oder schlechter verkraftet werden. Neben dem Verlust an Bildungsinhalten explodierte die Zahl an Schulverweiger:innen, die nie mehr in den Regelunterricht zurückfanden und unser Sozialsystem noch Jahrzehnte belasten werden. Durch die soziale Isolation stieg die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen enorm an. Viele von ihnen bekamen Essstörungen, Borderline-Syndrome oder wurden depressiv. Laut einer aktuellen deutschen Studie aus dem Frühjahr 2022 hat sich die Suizidrate bei 12 bis 18-Jährigen in den letzten drei Jahren im Vergleich zur Zeit vor Corona verdreifacht. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien triagierten – im Gegensatz zu den Intensivstationen – tatsächlich und sind bis heute überfüllt.
Schritte zur Wiedergutmachung
13 Millionen Euro zur Förderung der psychischen Gesundheit der Kinder und Jugendlichen stellte das Gesundheitsministerium im Februar 2022 in Aussicht. Mehr als 30 Mal so viel, nämlich 411 Millionen Euro, waren uns hingegen die Schultests wert. Und wie ein Hohn klingen diese Zahlen im Vergleich zu den fast 47 Milliarden an Wirtschaftshilfen, die in Österreich ausgeschüttet wurden. Zynisch könnte man also sagen, die Wirtschaft ist uns 3.600 Mal wichtiger als die psychische Gesundheit unserer Kinder.
Wir fordern einen massiven Ausbau von stationären und niedergelassenen, kostenlosen Therapieangeboten für Kinder und Jugendliche – “koste es, was es wolle”.
Zu überlegen ist eine Verlängerung der Kinderbeihilfe um drei Jahre, sodass Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, die in der Pandemie verlorene Zeit in ihrem Tempo nachzuholen.
Bei allen zukünftigen Gesetzen, Verordnungen und Maßnahmen ist der Fokus auf die Bedürfnisse unserer Kinder und Jugendlichen zu richten. Ein Kinder- und Jugendministerium ist einzurichten, dessen Aufgabe es ist, die Rechte der Kinder in der Gesellschaft zu vertreten.
Die wichtigste Lehre muss jedoch sein, dass Ausgrenzung, Isolation und das Schüren von Angst niemals wieder eine politische Strategie sein dürfen!