Presseaussendung der GGI-Initiative am 10.08.2023
Der jüngste Vorstoß der EU-Kommission für neue Regeln bezüglich GVO (gentechnisch veränderte Organismen) sorgt für Kopfschütteln. Demnach soll künftig die Kennzeichnung entfallen, wenn ein neuer Organismus auch auf natürliche Weise oder durch Zucht entstehen hätte können. Die Vorschrift zur entsprechenden Feststellung und die Beschreibung der Änderungsmöglichkeiten bergen Potenzial für Missbrauch. Die Möglichkeiten zur Einsicht sind undeutlich geregelt, und Unklarheiten bezüglich Patenten werden ignoriert. Ein Nutzen für Konsument:innen ist im Vorschlag nicht zu erkennen. Daher lehnen wir ihn ab und fordern, dass GVO weiterhin als solche gekennzeichnet werden, sobald Gentechnik zur Anwendung kommt.
Anpassung der bestehenden Gentechnik-Verordnung
Am Mittwoch, dem 5.7.2023, hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der bestehenden Kennzeichnungsregeln für genetisch veränderte Organismen (GVO) vorgelegt. Der Vorschlag zielt auf die Unterteilung von GVO in verschiedene Kategorien ab. Künftig soll zwischen herkömmlichen transgenen Pflanzen sowie neuen cisgenen Pflanzen unterschieden werden.
Transgen (trans = jenseits der Artgrenze) bedeutet eine Änderung im Erbgut, die in der Natur nach derzeitigem Wissensstand nicht vorkommen kann – z. B. durch künstlichen Einbau eines artfremden Gens in das Erbgut einer Pflanze. Cisgen (cis = diesseits der Artgrenze) dagegen bedeutet eine Art “Abkürzung”; anders als bei transgenen Pflanzen stammen Gene und weitere Elemente des eingeführten Genkonstrukts – etwa Promotoren oder Terminatoren – ausschließlich aus dem Genpool der jeweiligen Pflanzenart (breeders’ gene pool).
Aktuell gelten cisgene Pflanzen in der EU rechtlich als „gentechnisch verändert“ und unterliegen den gleichen Regularien wie gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Nun heißt es jedoch, diese Änderungen seien mit fortgeschrittenen Zuchttechniken auch auf natürlichem Weg erreichbar. Laut Kommission beruht der Änderungswunsch auf Fortschritten in der Molekularbiologie und Genetik seit 2001 (new genomic techniques, NGT), welche deutlich präzisere Änderungen im Erbgut von Organismen ermöglichen würden. Die Kommission nimmt hier noch eine Unterteilung in zwei Kategorien vor.
- Kategorie 1 sind jene NGT-Organismen, bei denen theoretisch nicht mehr zwischen gentechnischer und natürlicher bzw. zuchtbedingter Änderung des Erbgutes unterschieden werden kann.
- Kategorie 2 sind die Organismen, bei denen zwar NGT zur Anwendung kommen, aber die genannte Unterscheidung noch möglich ist.
Unklare Abgrenzung neuer Techniken
Zu Kategorie 1 gilt es noch ein Detail zu beachten. Laut Vorschlag umfassen die NGT zum einen zielgerichtete Mutagenese, also punktuelle Änderungen, wie sie zufällig vorkommen können, ohne dass das Erbgut erweitert wird. Zum anderen aber auch Intragenese, also eine Erweiterung, die zwar mit Zucht erreichbar wäre, wobei aber die einzubauende Sequenz verändert werden darf. Ob diese vorangehende Änderung eines Gens auch aus dem Genpool hervorgehen muss, geht aus dem Vorschlag nicht hervor. Intragenese wird lediglich so beschrieben: Intragenesis is a subset of cisgenesis resulting in the insertion in the genome of a rearranged copy of genetic material composed of two or more DNA sequences already present in the breeders’ gene pool.
Konkret sollen gem. Annex I des Vorschlags folgende genetischen Änderungen bis zu 20 Mal (!) erlaubt sein und der resultierende GVO dann immer noch als “äquivalent” zu einer konventionellen Pflanze gelten:
- Austausch oder Einfügung von bis zu 20 Nukleotiden (kleinster Baustein von DNA) an einer Sequenz
- Entfernung einer beliebigen Zahl an Nukleotiden aus einer Sequenz
- Umkehrung einer beliebig langen Sequenz
- Einbau von bzw. Austausch bestehender Gene mit Sequenzen aus dem Genpool; hier darf kein bestehendes Gen beeinträchtigt werden
- Beliebige weitere Änderungen von beliebiger Länge, vorausgesetzt, dass das Ergebnis im Genpool vorkommt; hier ist zu beachten, dass Modifikationen einer Sequenz im Genpool gemäß der ersten beiden Punkte bereits erlaubt ist, also dem Anschein nach ein ganz beträchtliches Manipulationspotential vorliegt
Die Feststellung, ob tatsächlich ein cisgener bzw. NGT-Organismus vorliegt, soll auf Antrag erfolgen. Die entsprechende Prüfung liegt gem. Art. 6 & 7 beim Antragsteller. Dieser hat mittels Studien oder gleichwertigen Nachweisen die Feststellung zu zeigen. Wir wissen speziell aus der Debatte rund um Masken und Covid-Impfung, dass Studien bzw. deren Methodik so manipulativ gestaltet sein können, dass ein gewünschtes Ergebnis aufscheint, welches in der Regel vor dem Hintergrund finanzieller Interessen nicht kritisch betrachtet wird. Das bezieht sich insbesondere auf die Kategorie 1.
Problem bei Einsicht und Patenten
Das Ergebnis nach einem allfällig positiven Bescheid soll öffentlich zugänglich sein, u. a. per Datenbank oder Saatgutkennzeichnung. Damit soll gewährleistet werden, dass die Anwendung von Gentechnik nicht völlig unter dem Radar verschwindet. Um jedoch einer konkreten Kennzeichnung eines Produkts als GVO zu entgehen, gibt es erstaunlich großen Spielraum, den die Kommission anscheinend nicht abzusichern gedenkt. Wie einfach oder kompliziert sich die Einsichtnahme für Konsumentenschutzorganisationen gestalten wird, kann derzeit freilich noch nicht gesagt werden.
Die Problematik allfälliger Patente von GVO wird im Vorschlag kurz aufgegriffen, aber ansonsten ignoriert. GVO sind jedoch in der EU prinzipiell patentfähig. Wir erachten dies als ungelöste Frage bezüglich des vorliegenden Vorschlags, auch hier steht die Kategorie 1 im Vordergrund.
Gentechnische Veränderung muss erkennbar bleiben
Wir fassen die drei aus unserer Sicht wesentlichen Probleme zusammen:
- Die Unterscheidung, was als unweigerlich genetisch verändert (transgen) oder durch Zucht erreichbar (cisgen bzw. NGT der Kategorie 1) gilt, scheint willkürlich und fadenscheinig; dahingehendes Missbrauchspotential ist deutlich vorhanden.
- Möglichkeiten zur Erkennung von NGT-Saaten oder daraus hergestellten Produkten soll es zwar geben, diese sind aber bislang nur oberflächlich beschrieben.
- Die Frage, wie NGT-Organismen, besonders jene der Kategorie 1, patentrechtlich zu behandeln sind, wird gänzlich ignoriert.
Unbeantwortet bleiben auch jegliche Fragen für den landwirtschaftlichen Anbau, wie die Risikobewertung für Mensch und Umwelt, oder auch die Kontaminierung von gentechnikfreien Kulturen in der Umgebung von NGT-Saaten und wie deren weitere Verbreitung verhindert werden soll. Folglich erkennen wir in dem Vorschlag der EU-Kommission weder Sinn noch Nutzen für die Konsument:innen. Es entstehen eine Reihe Probleme und Unklarheiten, nur um die bisherige Regelung zur Kennzeichnung umgehen zu können. Moderne Gentechnik ist immer noch Gentechnik und wir sehen keinen Grund für nomenklatorische Spielereien.
Daher fordern wir als GGI (Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit): Für Verbraucher:innen muss eindeutig ersichtlich bleiben, ob ein Lebensmittel GVO enthält oder nicht – unabhängig vom genauen Verfahren. Den vorliegenden Vorschlag lehnen wir aus den zahlreichen oben dargelegten Gründen ab! EU-Bürger:innen haben bis 5. Oktober 2023 die Möglichkeit, eine Stellungnahme zur geplanten Gentechnik-Verordnung abzugeben. Die Stellungnahme ist über diesen Link möglich: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13119-Legislation-for-plants-produced-by-certain-new-genomic-techniques_de
Quellen & Nachlese
European Commission. Commission proposal on plants obtained by certain new genomic techniques. Directorate-General for Health and Food Safety, 2023. online: https://food.ec.europa.eu/plants/genetically-modified-organisms/new-techniques-biotechnology_en
European Commission. Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on plants obtained by certain new genomic techniques and their food and feed, and amending Regulation (EU) 2017/625. Directorate-General for Health and Food Safety, 2023. online: https://food.ec.europa.eu/system/files/2023-07/gmo_biotech_ngt_proposal.pdf & https://food.ec.europa.eu/system/files/2023-07/gmo_biotech_ngt_proposal_annex.pdf (Annex)
Haerlin B. New Genetic Engineering – Small Cause, Big Effect. ARC2020, 2023. online: https://www.arc2020.eu/new-genetic-engineering-small-cause-big-effect
Ein Gedanke zu „PM: EU-Kommission will Kennzeichnungspflicht für Gentechnik weitgehend abschaffen“
Leider wurde im Zuge der “neuen Impfung” die Gentechnik salonfähig gemacht, obwohl die früheren “Grünen” seit jeher davor gewarnt haben. Nun wurden sie ( die “Grünen”) offenbar völlig “umgedreht” . Die EU gemeinsam mit der WHO ist zur Lobby- Institution verkommen. Ob es noch Hilfe gibt ?