PM: #25 Corona-Aufarbeitung mit umstrittenen Experten

Presseaussendung der GGI-Initiative am 09.05.2023

Relativ offen ließ die Regierung die Art der Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen in ihrer Pressekonferenz vom 04. Mai 2023. Es wird jedenfalls ein rein sozialwissenschaftliches Projekt mit vier Studien und sogenannten Fokusgruppen in den Bundesländern unter Federführung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Die daran beteiligten, bisher bekannten nationalen wie internationalen, teils umstrittenen Experten sind jedenfalls großteils erklärte Maßnahmenbefürworter. Eine objektive Beurteilung scheint daher zweifelhaft.

Was bisher geschah

In unserer Aussendung vom 04.05.2023 haben wir unsere Sicht dargelegt, warum die geplante Versöhnung zur Verhöhnung wird. Heute beleuchten wir Hintergrund und Rolle der bisher bekannten Personen. Dies scheint insbesondere relevant, weil die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) federführend an der auf eine halbherzige sozialwissenschaftliche Studie reduzierten Aufarbeitung beteiligt ist. Wie dieses Projekt unterteilt ist und aus welchen Experten der ‘internationale’ Beirat besteht (drei aus Deutschland, einer aus der Schweiz), ist bereits bekannt.

Die Akteure im Einzelnen

Alexander Bogner vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der ÖAW scheint so etwas wie der Projektmanager zu sein. Zwar erscheint er in der Frage, wie weit die Aussagekraft von wissenschaftlichen Erkenntnissen reicht, vergleichsweise gemäßigt. Bezüglich pharmakologischer und nicht-pharmakologischer Maßnahmen im Zuge der Pandemie ist er jedoch dem politischen Narrativ treu. Darauf deutet jedenfalls eine seiner neueren Publikationen hin. [1] In dieser stellt er u. a. die für die Pharma-Lobby beträchtlichen Profite gedankenlos als rein wissenschaftlichen Fortschritt dar. Zudem ist er sichtlich bemüht, Kritiker der Maßnahmen und insbesondere der Covid-Impfung als ungebildete Sonderlinge und Verschwörungstheoretiker hinzustellen. Damit ist er im von der Akademie vorgegebenen Gleichschritt. [2],[3] Andere Angehörige setzen dergleichen Kritik überhaupt mit Antisemitismus gleich. Die Lächerlichkeit dieses Trugschlusses ist durch die hervorragenden Autoren von TKP eindrucksvoll aufgezeigt worden.

Alena Buyx ist Vorsitzende des Ethik-Rats in Deutschland. Von den im Beirat Vertretenen ist sie die wohl radikalste und bekannteste Befürworterin strenger Maßnahmen aller Art. Markante Aussagen haben wir in der Aussendung vom 04.05.2023 zitiert. Sie ist offensichtlich nicht neutral und für diese Rolle gänzlich ungeeignet. Ihre Bestellung wird von Kritikern verständlicherweise als reine Provokation wahrgenommen.

Armin Grunwald ist Physiker, Philosoph und Vorstand der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Er ist ebenfalls Mitglied im deutschen Ethik-Rat. Auch er scheint nicht neutral und für eine Teilnahme im Beirat ungeeignet. Jedenfalls hat er sich für eine Impfpflicht eingesetzt. Unter anderem hat er die Impfung als das kleinere Übel bezeichnet und somit in Beiträgen vom Februar 2022 Uninformiertheit zum Stand der Erkenntnisse demonstriert. [4], [5]

Eva Barlösius ist Soziologin und Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Sie zählt zu denen, die kritisiert haben, dass die Soziologie und andere Disziplinen erst zu spät in die Reaktion auf die Krise eingebunden wurden. Die negativen Folgen von Schulschließungen hat sie als vorhersehbar bezeichnet. Sie hat aber andererseits die deutsche Impfkampagne auf eine Art kritisiert, die darauf schließen lässt, dass sie sich mehr Effizienz gewünscht hätte. [6], [7] Auch dies verkennt die Faktenlage völlig. Ihr Wirken ist schwer einzuschätzen, es hängt wohl davon ab, welche Aspekte sie besonders untersucht.

Caspar Hirschi ist Historiker und Vorstand der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften. Konkrete Aussagen zu Pandemie-Maßnahmen sind uns nicht bekannt. Er ist aber bis Anfang 2021 schon als Kritiker der sog. Expertokratie aufgetreten. [8], [9], [10] Das hat ihm sogar so etwas wie einen Faktencheck eingebracht. Er dürfte am ehesten eine kritische Rolle bei der Aufarbeitung übernehmen. Es ist zu befürchten, dass er als einzige, wirklich kritische Person als eine Art Feigenblatt herhalten soll.

Sonstiger Hintergrund der ÖAW

Darüber hinaus ist Heinz Faßmann amtierender Präsident der ÖAW. Er hat unlängst deutlich gemacht, dass er Kritiker für ungebildete Volksfeinde mit Führerwunsch hält. [11] Eine realitätsfernere Einschätzung wäre wohl kaum möglich, sind die meisten Kritiker doch dem liberalen Spektrum zuzurechnen und nicht selten in der Wissenschaft beheimatet. Im Senat der ÖAW sitzen u. a. Wolfgang Sobotka und Christoph Grabenwarter. Sie waren als Präsidenten des Nationalrats bzw. des Verfassungsgerichtshofs direkt in Gestaltung, Ausübung und Rechtfertigung von Maßnahmen beteiligt. Erwähnenswert scheint zudem, dass mit Andreas Barner ein Vertreter der Pharmalobby (Boehringer Ingelheim) im Senat sitzt.

Zuletzt seien noch die “Wiener Thesen zur wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Gesellschaft” der ÖAW erwähnt. Obwohl sehr allgemein gehalten und langatmig, erkennt man doch die Intention. Die Experten attestieren sich gegenseitig Unfehlbarkeit, während Kritiker bestimmter Ansichten oder Maßnahmen als allgemein der Wissenschaft gegenüber skeptisch oder gar feindlich hingestellt werden.

Vorprogrammiertes Scheitern

Angesichts der zum Großteil einschlägig vorgefassten Einstellungen zu Pandemie-Management, pharmakologischen wie nicht-pharmakologischen Maßnahmen sowie den Verknüpfungen mit der Politik scheint ausgeschlossen, dass das genannte “Aufarbeitungsprojekt” das gesteckte Ziel der Versöhnung erreichen kann. Vielmehr dürfte in die methodische Trickkiste gegriffen werden, um das Management als hervorragend und Kritiker als illegitim bzw. zu Kritik nicht befähigt darzustellen. Dies würde die Gräben nur vertiefen. Dass diese Gräben keineswegs zwischen der überwältigenden Mehrheit und einem kleinen sog. rechten Rand verlaufen, haben die bisherigen Landtagswahlen 2023 gezeigt. Wir, die GGI (Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit) fordern daher, dieses “Aufarbeitungsprojekt” umgehend zu stoppen und eine seriöse Kommission einzusetzen. Diese Art der Aufarbeitung schadet mehr als sie nutzt, genauso wie die verfehlten Pandemiemaßnahmen.

Quellenangaben

[1] Bogner A. What can science do in the face of pandemics? Culture, Practice & Europeanization, Vol. 7, 2022, pp 122-135. online: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2566-7742-2022-1-122/what-can-science-do-in-the-face-of-pandemics-jahrgang-7-2022-heft-1?page=1

[2] https://www.oeaw.ac.at/detail/news/oeaw-fordert-mehr-tempo-beim-impfen-1

[3] https://www.oeaw.ac.at/detail/news/unbegrenzte-freiheit-gibt-es-nicht

[4] https://bnn.de/karlsruhe/karlsruhe-stadt/corona-impfpflicht-deutscher-ethikrat-stellungnahme-wissenschaftler-kit

[5] https://bnn.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/karlsruher-ethikrat-mitglied-armin-grunwald-die-impfung-ist-das-kleinere-ubel

[6] https://coronasoziologie.blog.wzb.eu/podcast/eva-barloesius-soziologische-wortmeldungen-zur-corona-krise

[7] https://coronasoziologie.blog.wzb.eu/podcast/eva-barloesius-soziologische-wortmeldungen-zur-corona-krise/?podlove\_template\_page=page-episode-transcript (Transkript zum oberen Podcast)

[8] https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech/caspar-hirschi-ueber-die-expertokratie-in-der-pandemie?id=11949775

[9] https://www.nzz.ch/schweiz/caspar-hirschi-im-interview-ld.1554576?reduced=true

[10] https://www.nzz.ch/international/ueberschaetzte-wissenschaft-experten-machen-politik-statt-zu-beraten-so-geht-das-nicht-ld.1607115?reduced=true

[11] https://www.derstandard.at/consent/tcf/story/2000145510463/skepsis-gegenueber-der-wissenschaft-ist-eh-nicht-so-schlimm

Siehe auch

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