PM: #29 WHO will Machtbefugnisse ausweiten – Pandemievertrag und Internationale Gesundheitsvorschriften

Presseaussendung der GGI-Initiative am 25.05.2023

Die geplante Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) sowie ein gänzlich neuer Pandemievertrag zwischen den WHO-Mitgliedsstaaten beinhalten Risiken für die Souveränität der Mitgliedstaaten. Bei den IGV fällt die bisherige Unverbindlichkeit bei Empfehlungen weg. Die Geltung für Handel und Reisen wird auf alle Bereiche des Alltags erweitert. Menschenwürde und Grundrechte werden aus den Grundprinzipien gestrichen. Der Pandemievertrag soll auch das Vorgehen gegen sogenannte Falschinformation vorsehen – ohne näher zu bestimmen, was darunter zu verstehen ist. Ein einheitlicher Gesundheitsansatz umfasst auch den vagen Begriff des Klimawandels. Es besteht die Gefahr einer Machtverschiebung von den Nationalstaaten hin zu einer überstaatlichen Organisation, die stark von privaten Interessen beeinflusst und demokratisch nicht legitimiert ist.

Noch bis 30. Mai 2023 findet in Genf die 76. Jahrestagung der Weltgesundheitsversammlung (engl. World Health Assembly, WHA) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) statt. Erst kürzlich, am 5. Mai 2023, hat WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom den globalen Gesundheitsnotstand zu COVID-19 nach über 3 Jahren aufgehoben.
Die aktuell stattfindende Sitzung der WHA ist sehr maßgeblich, da einerseits Beschlüsse zur Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften aus 2005 (IGV 2005), und andererseits die Schaffung eines gänzlich neuen WHO-Abkommens zur Pandemievorsorge und -bekämpfung (»Pandemievertrag«) anstehen. Finale Beschlüsse zu beidem sollen bei der WHA-Jahrestagung im Mai 2024 fallen.

Entscheidend ist, dass die IGV 2005 und der Pandemievertrag eng zusammenhängen. Als zentrale Fragen stellen sich:

1. Was soll tatsächlich international für die WHO-Mitgliedsstaaten verbindlich gelten? Wie ist es zu verstehen, dass der Wortlaut “non-binding” hinsichtlich der Empfehlungen in Artikel 1 der IGV 2005 gestrichen wird?
2. In welchem Verhältnis stehen die Vorschriften zur österreichischen Verfassung und der darin verankerten Europäischen Menschenrechtskonvention?

Klargestellt werden muss, dass keine Pflicht zur Umsetzung der Maßnahmen-Empfehlungen (Art 15ff IGV ua.) der WHO bestehen darf. Dies würde eine Teilaufgabe der nationalen Souveränität bedeuten, und würde daher zwingend einer Volksabstimmung bedürfen.

1. Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV 2005)

Änderungsvorschläge und Beschluss durch einfache Mehrheit

Die IGV sind derzeit das Instrument zum Umgang mit grenzüberschreitenden Krankheiten. Nach Artikel 21 der WHO-Verfassung können durch die IGV in fünf Bereichen rechtsverbindliche Regelungen erlassen werden, es sei denn, Staaten lehnen sie ab (»right to opt out«). Ein Hauptmerkmal der WHO-Vorschriften besteht darin, dass in ihrem Fall die Beteiligung der nationalen Gesetzgeber nicht nötig ist. Bei der Abstimmung des WHA zu den Änderungen der IGV reicht eine einfache Mehrheit, und sie sind ohne weitere öffentliche oder parlamentarische Beratung und Beschlussfassung unmittelbar geltendes Recht.Die durch eine eigene Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Änderungen zur IGV 2005 wurden erstmals im November 2022 veröffentlicht.

–      Artikel 1 „Definitionen“ mit zentralen Auswirkungen auf Artikel 15 und 16: Vorgeschlagen ist die Streichung des kleinen Passus „non binding“ (nicht bindend). Dies hat unmittelbar Auswirkungen auf sowohl „zeitlich begrenzte Empfehlungen“ (Article 15 Temporary recommendations)“ als auch die „fixen Empfehlungen“ (Article 16 Standing recommendations), die der WHO-Generaldirektors im Falle eines ausgerufenen Gesundheitsnotstands für die Mitgliedsstaaten erlässt.

–       Artikel 2 “Umfang und Zweck”: Die Änderung bedingt eine Ausweitung von Belangen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge („public health“) auf alle Risiken mitPotential die öffentliche Gesundheitsfürsorge zu betreffen”. Die Regelungen sollen hinkünftig nicht nur für internationale Reisen und Handel gelten, sondern auch für die “Lebensgrundlagen, Menschrechte, und Zugang zu Gesundheitsprodukten, Technologien und Know-how”.

–       Artikel 3 „Prinzipien“: Vorgeschlagen ist die Streichung der Worte „unter Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten der Personen“. Stattdessen sollen die Vorschriften auf „Gleichheit“ (»Equity«), „Inklusion“ und „Stimmigkeit“ (»Coherence«) basieren. Das Konzept der Gleichheit umfasst den gleichen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, zu denselben Medikamenten oder Impfstoffen sowie zu denselben Tests durch alle Mitgliedstaaten.

Diese Streichungen bzw. Erweiterungen sind höchst problematisch, da der Schutz der Menschenrechte der Gleichheit als regulierendes Prinzip untergeordnet werden würde. Eine mögliche Konsequenz daraus wäre, dass Menschen sich nicht mehr auf das Selbstbestimmungsrecht bei medizinischen Eingriffen berufen könnten.

2. Implementierung eines Pandemievertrages

Ein erster Vertragsentwurf zur pandemic prevention, preparedness and response” (Zero Draft CA+) liegt seit Anfang Februar 2023 vor, und Änderungsvorschläge dazu wurden von verschiedenen Staaten eingebracht. Einschneidende Regelungen in dem gänzlich neuen Pandemievertrag umfassen beispielsweise die Themen Gesundheitsgerechtigkeit (»Equity«) und die gerechte Verteilung medizinischer Güter, den beabsichtigten „einheitlichen Gesundheitsansatz“ (»One-Health-Ansatz«) als Ausweitung möglicher Pandemie-Gründe, sowie Regelungen zu Informationen, zur Meinungsfreiheit oder auch zur Freiheit der Wissenschaften. Der Beschluss eines Pandemievertrages erfordert eine Zweidrittelmehrheit in der Weltgesundheitsversammlung (WHA) und die Ratifizierung in den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Menschenrechte

Artikel 14 des Pandemievertrags trifft Regelungen zu den Menschenrechten, wobei hierzu das Prinzip der Gleichbehandlung bei der Einschränkung von Freiheitsrechten festgehalten ist. Diese Freiheitsrechte könnten jedoch zum Schutz der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt werden, genauso wie es in der COVID-19 Krise von Regierungen und Behörden – legitimiert durch die von ihnen selbst ausgewählten Experten – gehandhabt wurde! Das Gleichbehandlungsgebot schreibt fest, dass unsachliche Diskriminierungen verboten sind, jedoch wurde vom VfGH eine rein vermutete “epidemiologische Gefahr” (ohne Nachweis einer tatsächlichen Gefahr) als sachlich gerechtfertigt angenommen. Diese Vorschrift bietet daher erfahrungsgemäß keinen Schutz vor Diskriminierung. Artikel 16 sieht zudem eine Umsetzung auf allen Stufen des Staates, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft vor.

Meinungsfreiheit

Artikel 17 des Pandemievertrages regelt u.a. den Umgang mit Fehl- und Falschinformationen, gerade auch in Sozialen Medien. Wer entscheidet darüber, was als Fehl- oder Falschinformationen zu gelten hat? Ergibt sich das aus „der“ Wissenschaft? Welche Wissenschaft gilt als evidenzbasiert? Das Recht und die Macht der WHO zur einseitigen Information und Zensur würden gestärkt werden, wodurch eine unverfälschte Meinungsbildung der Bevölkerung von vornherein ausgeschlossen wird. Drei Jahre COVID-19 Erfahrung mit gezielter Ausschaltung von Kritiker:innen, Diffamierung von unliebsamen Expert:innen, Wissenschaftler:innen und Bürger:innen lassen hier die Alarmglocken klingeln. Zudem steht Art. 17 im immanenten Widerspruch zu Art. 11 der Charta der Grundrechte der EU, der besagt “Jede Person hat das Recht (…) Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe (…) zu empfangen und weiterzugeben.”

Einheitlicher Gesundheitsansatz

Unter Artikel 18 schließlich sollen sich die Vertragsparteien bei der Pandemieprävention und Wiederherstellung der Gesundheitssysteme verpflichten, einen „einheitlichen Gesundheitsansatz“ (»One-Health-Ansatz«) zu fördern und umzusetzen. Auch „Krankheiten an der Schnittstelle von Mensch-Tier-Umwelt“ sollen einbezogen werden, „einschließlich, aber nicht beschränkt auf den Klimawandel“. Derartig umfassende und gleichzeitig vage Formulierungen wie in Artikel 18 könnten zu gravierenden Maßnahmen und Einschränkungen für die Menschen führen, ohne dass eine tatsächliche Gefahr durch konkrete Todes- oder Krankheitszahlen belegt werden muss.

Kritik an den Änderungen der IGV 2005 und am Pandemievertrag

Die vorgeschlagenen Änderungen zu den IGV 2005 und die Implementierung eines Pandemievertrages bergen die gravierenden Risiken, dass im Falle eines durch den WHO-Generaldirektor ausgerufenen globalen Gesundheitsnotfalls die Menschenrechte, die Gewaltenteilung, und die nationale Souveränität erheblich beeinträchtigt würden. Weiters wäre eine generelle Bedrohung der individuellen Freiheit und Gesundheit gegeben. Durch den Grünen Pass wären angeordnete Maßnahmen auch lückenlos kontrollierbar.

Jegliche Einflussnahme der Mitgliedsstaaten auf WHO-Entscheidungen wäre unterbunden. Zu viel Macht wäre beim WHO-Generaldirektor konzentriert und gleichzeitig ist kein Mechanismus zu dessen Kontrolle vorgesehen. Die WHO ist jedoch nicht demokratisch legitimiert.
Hierzu relevant und bedenklich ist auch die Finanzierung der WHO. Nur etwa 20 Prozent des WHO-Budgets werden durch fixe Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert, hingegen 80 Prozent durch freiwillige Zahlungen gewisser finanziell potenter Geldgeber, wie Mitgliedsstaaten (wie Deutschland, USA, England), durch Stiftungen (z.B. Gates, Rockefeller, Ford Foundation), die Pharmaindustrie, IT-Konzerne, private Geldgeber oder auch durch WHO-nahe Organisationen wie GAVI oder COVAX.

Lehren aus der Pandemie

Wir halten es für hochproblematisch, einer vorwiegend durch private Investoren finanzierten Organisation derart weitgehenden Gestaltungsspielraum einzuräumen, ohne jeglicher (rechtsstaatlicher) Kontrolle. Das Risiko, dass finanzielle Investoreninteressen über die Gesundheit der Bevölkerung gestellt werden, ist in erheblichem Maße gegeben.

Es braucht keine zentrale WHO-Macht mit bindenden Vorgaben, sondern ganz im Gegenteil eine Stärkung der Autonomie von Staaten (oder auch Regionen) im Gesundheitswesen, bei gleichzeitiger internationaler Kooperation. Ebenso braucht es eine Stärkung der Verantwortung eines jeden für die eigene Gesundheit. Hier ist auch zu beachten, dass gerade Schweden den Empfehlungen der WHO nicht Folge leistete, und damit deutlich besser durch die Krise kam als andere Staaten. Aus dieser Erfahrung sollten wir lernen und eine Kompetenzen-Verlagerung hin zur WHO jedenfalls ablehnen.

Weiterführende Quellen und Informationen:

Artikel von Stiftung Wissenschaft und Politik, WHO-Initiativen: reformierte inter­nationale Gesundheitsvorschriften und ein Pandemievertrag:
https://www.swp-berlin.org/10.18449/2022A77/

Multipolar-Magazin, Was steckt hinter dem Pandemievertrag?:
https://multipolar-magazin.de/artikel/who-pandemievertrag

OpinioJuris, The Proposed Amendments to the International Health Regulations: An Analysis:
https://opiniojuris.org/2023/02/27/the-proposed-amendments-to-the-international-health-regulations-an-analysis/

GGI- Initiative, Pandemie:
https://ggi-initiative.at/wp/pandemie/